Frans Boudewijns, (?), Zeichner
Adriaen Fransz. Boudewijns, ehemals zugeschrieben, Zeichner

Eingang des Klosters in Grottaferrata bei Rom

Verso: Phantasieansicht von Rom mit der Engelsburg

Auch dieses Blatt ist sicher aus dem Œuvre des Adriaen Fransz. Boudewijns auszugliedern, dem es bislang zugeschrieben war. Im RKD gilt es unter Vorbehalt als Werk des Frans Boudewijns. Von der signierten Inv.-Nr. 21676 unterscheidet es sich in der sperrigen Architekturwiedergabe und dem besonders recto ausgeprägt straffen Baumschlag. Eher noch wäre der rückseitige Abklatsch mit gesicherten Zeichnungen des Künstlers in Verbindung zu bringen, bei allerdings etwas bewegterer Gestaltung der Bäume. Denkbar wäre in diesem Zusammenhang eine frühe Entstehung. De Lannoy beobachtete für die gezeichneten Ideallandschaften Boudewijns’ aus dem ersten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts ein ausgeprägtes Interesse an Architekturmotiven.(Anm.1) Eine 1707 datierte Zeichnung in Brüssel ist unserem Blatt in der feinen Gebäudeschraffur verwandt.(Anm.2) Möglicherweise handelt es sich in beiden Fällen um Übungsblätter des jungen Künstlers.
Boudewijns kann die dargestellten Motive nicht aus erster Hand gesehen haben – ein Rom-Aufenthalt ist nicht dokumentiert. Der recto wiedergegebene Eingang des Klosters von Grottaferrata bei Rom entspricht grundsätzlich einem von Gaspar van Wittel (1652/53–1736) in mehreren Gemäldefassungen ausgebildeten Typus.(Anm.3) Dabei ist der Blickpunkt für eine ,in situ‘ gezeichnete Studie zu nahe an das Motiv herangerückt, und der überschlank proportionierte Befestigungsturm steht ebenfalls zu nahe an dem Portalgebäude.
Ähnliche Abweichungen vom topographischen Befund zeigt die rückseitige Ansicht der Engelsburg. Auch hier neigte der Künstler offensichtlich zur Verschlankung des realiter ungleich wuchtiger angelegten Gebäudes. Vielleicht wurde hier eine graphische Vorlage verarbeitet, die eine rückwärtigt Ansicht der Engelsburg zum Thema hatte – in diesem Falle wäre jedoch im Hintergrund die Bebauung des jenseitigen Tiberufers zu erwarten.(Anm.4)

Annemarie Stefes

1 Gaëlle de Lannoy: Un regard neuf sur Adrien-François Boudewijns (1644-1719) et son fils François, in: Bulletin des Musées Royaux des Beaux-Arts de Belgique 43-44, 1994-1995, S. 125-152, S. 143.
2 Brüssel, Musées Royaux des Beaux-Arts, Sammlung De Grez, Inv.-Nr. 4060/444, ebd. Abb. 9; vgl. auch die monogrammierte „Landschaft mit Kastell“, Aukt.-Kat. Amsterdam, Sotheby’s, 9. 11. 1999, Nr. 161.
3 Vgl. Rom, Pinacoteca Capitolina, Giuliano Briganti: Gaspar van Wittel. Nuova edizione. A cura di Laura Laureati e Ludovica Trezzani, Mailand 1996, Nr. 223 und Aukt.-Kat. New York, Sotheby’s, 21. 5. 1998, Nr. 77, vgl. auch Inv.-Nr. 21710 der Hamburger Kunsthalle.
4 Der reiche Baumbewuchs auf der dem Tiber abgewandten Seite des Gebäudes wird dokumentiert durch verschiedene Ansichten der Engelsburg aus dem 17. Jahrhundert, z. B. auf der Zeichnung eines anonymen Niederländers, Museumslandschaft Hessen Kassel, Graphische Sammlung, Inv.-Nr. 5127; Jan Brueghel (I), Darmstadt, Hessisches Landesmuseum, Inv.-Nr. AE 397, Lisa Oehler: Rom in der Graphik des 16. bis 18. Jahrhunderts, Berlin 1997, Abb. 27 und 27.3.

Details about this work

Rötel; Einfassungslinien (Feder in Braun) Technik Verso: Rötel (Abklatsch) 99mm x 151mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 21675 Collection: KK Zeichnungen, Niederlande, 15.- 19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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