Cesare da Sesto, zugeschrieben

Kopfstudie, 1. Viertel 16. Jh.

Die Zeichnung des sanft lächelnden Kinderkopfes weist einen deutlichen Einfluss von Leonardo da Vinci auf. Es verwundert daher nicht, dass sowohl Woodburn als auch Harzen dieses Blatt ohne Zweifel Leonardo zuschrieben. Gut vergleichbar sind etwa dessen Kinderstudien auf einem Blatt in den Gallerie dell’Accademia in Venedig.(Anm.1) Diese Studien weisen, wie Carmen Bambach betonte, eine exquisite, fein nuancierende Modellierung auf. Diese Qualität ist auf dem Hamburger Blatt nur partiell zu erkennen, was wohl im Wesentlichen auf den starken Abrieb zurückzuführen ist. Die Unterschiede in der Feinmodellierung mögen Koopmann 1891 dazu bewogen haben, offensichtlich als erster Zweifel an der Autorschaft Leonardos anzuführen. Daraufhin scheint man im Kabinett einer alten Aufschrift (eines Sammlers ?) gefolgt zu sein und ordnete die Zeichnung unter Cesare da Sesto ein. Seitdem blieb das Blatt in der Literatur nahezu unbeachtet.
Unbestritten ist, dass Sesto sehr stark von Leonardo beeinflusst worden ist. Dies belegen sowohl seine Madonnendarstellung im Museo Poldi Pezzoli in Mailand als auch seine Nachahmung der Anna Selbdritt im Prado. Auf beiden Gemälden befinden sich ähnliche Kinderköpfe wie sie die Hamburger Zeichnung zeigt. Denkbar ist also, dass das Blatt als vorbereitende Studie für eines der Gemälde entstanden ist. Allerdings sind ähnliche Kinderköpfe nicht nur bei Sesto – sondern ausgehend von Leonardos Anna Selbdritt – häufiger in der norditalienischen Malerei um 1500 nachweisbar. Auf eine Entstehung um 1500 im Umkreis Leonardos verweist auch der Gebrauch von Rötel. Diese Zeichentechnik setzte Leonardo gegen Ende des Quattrocento als einer der ersten Künstler intensiver ein, was zunächst vor allem von seinen Schülern nachgeahmt wurde.
Die hier vertretene Zuschreibung des Blattes an Sesto, die von Carmen Bambach (Anm.2) gestützt wird, kann durch den Vergleich mit gesicherten Blättern des Künstlers bekräftigt werden. Ähnlich subtil sind die ebenfalls in Rötel auf rötlichem Papier gezeichneten Kinderstudien in Turin.(Anm.3) Ein Kinderkopf im Profil in Wien weist einen vergleichbar feinen Gebrauch des Rötels auf, ist aber stärker durch Parallelschraffen, so auch im Hintergrund, geprägt.(Anm.4) Carmen Bambach betonte den naturalistischen Charakter der Hamburger Studie, was auch für eine Autorschaft Sestos sprechen könnte.(Anm.5)

David Klemm

1 Inv.-Nr. 257; Leonardo da Vinci Masterdraftsman, hrsg. v. Carmen Bambach, Ausst.-Kat. New York, The Metropolitan Museum of Art, New Haven, London 2003, S. 557–560. Das Blatt ist in der Autorschaft umstritten, Martin Clayton hält es für eine Kopie. Vgl. auch die Kopie nach dem venezianischen Blatt (oder dem verlorenen Vorbild ?) in Chantilly. Vgl. Leonardo da Vinci Masterdraftsman, hrsg. v. Carmen Bambach, Ausst.-Kat. New York, The Metropolitan Museum of Art, New Haven, London 2003, S. 560, Nr. 195.
2 Mitteilung per E-Mail auf der Grundlage einer Digitalphotographie, 5. 3. 2008.
3 Turin, Biblioteca Reale, Inv.-Nr. 15987 D.C.; 15988 D.C.; vgl. Mario Carminati: Cesare da Sesto 1477-1523, Mailand, Rom 1994, S. 294–295, Nr. D 75, D 76.
4 Wien, Albertina, Grafische Sammlung, Inv.-Nr. 17610. Mario Carminati: Cesare da Sesto 1477-1523, Mailand, Rom 1994 , S. 305, Nr. D 88.
5 Mitteilung per E-Mail auf der Grundlage einer Digitalphotographie, 5. 3. 2008.

Details about this work

Rötel auf rötlichem Papier; aufgezogen 70mm x 76mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 21483 Collection: KK Zeichnungen, Italien, 15.-19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

We are committed to questioning the way we talk about and present art and our collection. Therefore, we welcome your suggestions and comments.

Feedback
Other works by
Cesare da Sesto