Fra Filippo Lippi (Werkstatt)

Der Hl. Stephanus vertreibt den Dämon aus einem jungen Mann, um 1462/69

Die Zeichnung zeigt den Heiligen Stephanus, wie er einen am Boden kauernden Mann von einem Dämon befreit. Die Szene lässt sich wegen der thematischen und kompositorischen Übereinstimmung mit einem zwischen 1462 und 1465 entstandenen Fresko Fra Filippo Lippis in der Chorkapelle des Doms zu Prato in Verbindung bringen. Ein genauer Vergleich ergibt jedoch zahlreiche Unterschiede zwischen Zeichnung und Fresko: So sind z. B. auf dem Fresko die Hände und Gesichter feiner und natürlicher und die Körperhaltungen ausgewogener dargestellt; zudem ist die Architektur detailreicher und sorgfältiger dargestellt.
Diese Abweichungen haben wesentlich dazu beigetragen, dass die Zeichnung von vielen Forschern – so u. a. von Berenson, Pauli, Degenhart und Schmitt – als originale Vorstudie Fra Filippos zu den Chorfresken angesehen wurde. Die hohe Wertschätzung des Blattes spiegelt sich auch in einer eindrucksvollen Provenienzkette und der kostbaren Rahmung.
Dagegen standen schon frühe Zweifel, so von Giglioli 1928, der die Hand und den Geist Lippis vermisste. Skeptisch blieben auch dalli Regoli und Borsook sowie Ruda in seiner grundlegenden Monographie. Treffend erkannte er, dass die weiße Deckfarbe gestaltlos aufgetragen ist und dass die Gesichter der Figuren stark vereinfacht sind. Unverkennbar weisen die wenigen für Lippi gesicherten Zeichnungen eine bessere künstlerische Qualität auf. Dies betrifft z. B. die Figur des sogenannten Majordomus des Herodesfreskos in Prato, die in einer Zeichnung in den Uffizien vorbereitet wurde.(Anm.1) Auch hier gibt es einige Unterschiede zum ausgeführten Werk, doch finden sich gegenüber dem Hamburger Blatt eine wesentlich feinere Strichführung, eine detailliertere Ausarbeitung und genauere Weißhöhungen.
Schaar hat 1997 die Problematik der erkennbaren Unterschiede zum Fresko in Verbindung mit zeichnerischen Schwächen zu einer sinnvollen Lösung geführt. Für ihn handelt es sich bei dem Hamburger Blatt um eine in der Werkstatt Lippis nach einer Originalvorlage des Meisters entstandene Nachzeichnung.

David Klemm

1 Florenz, Gabinetto Disegni e Stampe degli Uffizi, Inv.-Nr. 673 E; vgl. Jeffrey Ruda: Fra Filippo Lippi. Life and Work with a Complete Catalogue, London 1993, S. 497–498, D 7.

Details about this work

Silberstift mit Weißhöhung, Pinsel in Braun auf rotgrundiertem Papier; montiert und mit reicher Rahmung versehen 327mm x 223mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 21239 Collection: KK Zeichnungen, Italien, 15.-19. Jh. Foto: Christoph Irrgang

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