Meister des Fußkusses des Hl. Georg

Der Hl. Martin teilt seinen Mantel mit einem Bettler, 2. Hälfte 16. Jahrhundert (?)

Georg Ernst Harzen hat das beidseitig virtuos bezeichnete Blatt zunächst Palma il Giovane (1548-um 1628) und nachfolgend Pordenone (1484–1539) zugeschrieben. Später wurde es in der Kunsthalle einem anonymen venezianischen Meister zugeordnet. Janos Scholz vermutete eine Entstehungszeit in Venedig im ausgehenden 16. oder frühen 17. Jahrhundert.(Anm.1)
David Ekserdjian brachte wie bereits zuvor Thomas Ketelsen (Anm.2) die Verso-Zeichnung eines Ritters, der den Fuß des Christuskindes küsst, mit einem motivisch entsprechenden Blatt in Windsor in Verbindung.(Anm.3) Tatsächlich erscheint die dortige Szene des küssenden Ritters wie eine Variation des Hamburger Blattes. Da beide Zeichnungen auf blauem Papier und in ähnlicher Technik ausgeführt wurden, bestehen zusätzliche Entsprechungen. Die Hamburger Version wirkt etwas virtuoser, d. h. freier in der Linienführung und z. B. bei der Darstellung des Kopfes der Maria abstrakter in den Umrissen. Es ist gut denkbar, dass beide Skizzen als Vorstudien eines bislang nicht nachweisbaren Altarbildes angefertigt wurden. Popham schrieb die Windsor-Zeichnung Giuseppe Porta, genannt Salviati, zu.(Anm.4) Obgleich sich mit der effektvollen Lavierung und der Tonigkeit des Blattes Verbindungen zum Zeichenstil des Künstlers finden lassen, bleiben Vorbehalte gegenüber dieser Zuordnung.(Anm.5) Ekserdjian gab daher dem anonymen Künstler aufgrund der bemerkenswerten Geste auf dem Verso den Notnamen „Meister des Fußkusses des Hl. Georg“.
Während das Hamburger Recto mit der Mantelspende des Hl. Martin ikonographisch eindeutig zu bestimmen ist, bleiben bei der Zuordnung des Verso-Themas wie auch des Windsor-Blattes zum Hl. Georg geringe Zweifel; dies vor allem, weil der Drache als wichtiges Attribut seiner Legende auf beiden Blättern nicht vorhanden ist.
Unabhängig von diesen Grundproblemen beeindruckt die Inventionskraft des Künstlers, der sich mit Erfolg um eine Belebung des traditionell sehr statischen Erscheinungsbildes der Sacra Conversazione bemühte. Die Darstellung des Fußkusses findet sich in der italienischen Kunst der Renaissance selten. Ekserdjian wies auf eine – allerdings kompositionell anders gestaltete und deutlich weniger lebendige – Lösung von Luca Longhi in Sant’Arcangelo di Romagna hin.(Anm.6)

David Klemm

1 Kartonnotiz.
2 Archiv des Kupferstichkabinetts.
3 Windsor Castle, Royal Library, Inv.-Nr. 5052.
4 Arthur E. Popham, Johannes Wilde: The Italian Drawings of the XV and XVI Centuries in the Collection of His Majesty the King at Windsor Castle, London 1949, S. 303, Nr. 753, Taf. 169.
5 David Ekserdjian: Le maître du baiser de saint Georges: Saint Martin and a beggar, in: Festschrift Monbeig Goguel 2005, S. 134-135, S. 134.
6 Ebd., vgl. Adolfo Venturi: Storia dell’arte italiana, 11 Bde. (von Band VI an, in Teilbände gegliedert), Mailand 1901-1939, IX, 5, S. 693, Abb. 402.

Details about this work

Feder in Braun, braun laviert, weiß gehöht auf blaugrauem Papier 303mm x 242mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 21231 Collection: KK Zeichnungen, Italien, 15.-19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang

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