Filippo Giuntotardi

Der Venustempel von Bajae bei Neapel, 1807

Der römische Landschaftsmaler Filippo Giuntotardi gehörte um 1800 zu den renommiertesten Künstlern seines Fachs. Er schuf in Aquarell- und Temperatechnik meist großformatige, gefällige Ansichten berühmter Sehenswürdigkeiten in Rom und der Gegend um Neapel im Stil seines mutmaßlichen Lehrers, des Schweizers Abraham-Louis-Rodolphe Ducros (1748–1810).(Anm.1) Das Aquarell stammt aus der für Giuntotardi offensichtlich besonders schaffensreichen Zeit um 1800, aus der mehrere Blätter – allesamt in identischer Technik und zumeist in großem Format – nachweisbar sind.(Anm.2) Häufig hat Giuntotardi diese Arbeiten wie hier an versteckter Stelle signiert.
Diese sehr detailliert ausgeführten, mit lebendiger Staffage aus dem italienischen Volksleben ausgestatteten Bilder waren bei europäischen Italienreisenden sehr gefragt. Sie bildeten bei ähnlicher Größe eine preisgünstige Alternative zu den teuren Ölgemälden. Daher wundert es kaum, dass sich 1989 eine motivgleiche weitere Fassung – unter der offensichtlich falschen Zuschreibung an Franz Kaisermann (1765–1833) – im Kunsthandel befand.(Anm.3) Eine Verwechslung der Werke der Künstler ist nachvollziehbar, da sie sich sowohl technisch als auch motivisch sehr ähneln.
Das Blatt zeigt eine Ansicht der Umgebung Neapels, die sich im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert bei Reisenden wie bei Künstlern größerer Beliebtheit erfreute. Das Hauptmotiv bildet der antike Tempel der Venus (Tempio di Venere), der in der Zeit Kaiser Hadrians im ersten Drittel des 2. Jahrhunderts entstanden ist. Der Rundbau mit vier Apsiden imponierte selbst in ruinösem Zustand aufgrund seines Durchmessers von über 26 Metern. Gegenüber dem antiken Monument tritt das im Hintergrund erkennbare neuzeitliche Kastell von Don Pedro von Toledo eher als Staffage in Erscheinung.
Giuntotardis Zeichnungen haben heute aufgrund ihrer detailgetreuen Aufnahme der antiken Bauten fernab ihrer künstlerischen Qualität auch dokumentarischen Wert. So dürfte die exakte Wiedergabe der antiken Mauertechnik beim Venustempel von Bajae für die Bauforschung von Interesse sein. Giuntotardi hat eine weitere Darstellung der Szenerie angefertigt, wobei der Bildausschnitt stärker auf den Tempel ausgerichtet ist.(Anm.4) Bei der dort etwas weniger minutiösen Zeichenweise fällt auf, dass das Bauwerk Substruktionen aufweist. Dies lässt darauf schließen, dass das Hamburger Blatt früher entstanden sein muss.
Im Vergleich zu anderen zeitgenössischen Darstellungen der Szenerie – z. B. von Antonio Joli, Jean-Baptiste Lallemand oder Christoph Heinrich Kniep – erweist sich Giuntotardis Stärke als genauer Dokumentar, der trotz einer Neigung zur kühlen Farbpalette der Darstellung Lebendigkeit zu geben vermag.(Anm.5)

David Klemm

1 Vgl. Gerhard Bott: Rom- und Tivoli-Ansichten von Filippo Giuntotardi, in: Jahrbuch der Staatlichen Kunstsammlungen in Baden-Württemberg 21, 1984, S. 143-150, S. 144.
2 Vgl. Gerhard Bott: Rom- und Tivoli-Ansichten von Filippo Giuntotardi, in: Jahrbuch der Staatlichen Kunstsammlungen in Baden-Württemberg 21, 1984, S. 143-150.
3 Aukt.-Kat. London, Christie’s, Old Master Drawings, 5. 12. 1989, S. 51, Nr. 97, Abb. S. 50.
4 Vgl. Roma, Napoli, Palermo. Disegni, acquerelli, tempere 1780-1860, Ausst.-Kat. Rom, Galleria Antonacci, Rom 1999, Nr. 39.
5 Vgl. Antonio Joli, Privatsammlung; Jean-Baptiste Lallemand, Paris Privatsammlung; William Pars, Birmingham City Museum and Art Gallery; Christoph-Heinrich Kniep, Privatsammlung. Abb. in: All’ombra del Vesuvio. Napoli nella veduta europea dal Quattrocento all’Ottocento, Ausst.-Kat. Neapel, Castel Sant’Elmo, Neapel 1990, S. 248, 250–251.

Details about this work

Aquarell; aufgezogen und mit Rahmung versehen 656mm x 1033mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 21222 Collection: KK Zeichnungen, Italien, 15.-19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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