Anna Maria Piattoli, geb. Bacherini, zugeschrieben

Selbstbildnis (?)

Das Blatt weist eine traditionelle Zuweisung an Rosalba Carriera (1675–1757) auf. Dies ist sicher mehr auf ihre Dominanz und Bekanntheit im Porträtschaffen des 18. Jahrhunderts zurückzuführen als auf konkrete technische Übereinstimmungen zu ihren zahlreichen nachweisbaren Arbeiten. Irritierend ist vor allem die Verwendung von farbigen Kreiden, denn Carriera wählte offensichtlich für ihre Porträts ausschließlich Pastellstifte. Wenig überzeugend erscheint auch der Vorschlag von Anthony Morris Clark, das Porträt Pietro Rotari (1707–1762) zuzuschreiben.(Anm.1)
Eine mögliche Lösung der Frage nach der Autorschaft bietet die ebenfalls bereits von Harzen genannte, und auf eine Beschriftung auf dem Verso zurückgehende Identifikation der Dargestellten mit Anna Bacherini, verheiratete Piattoli. Diese Künstlerin war vornehmlich in Florenz als Porträtistin tätig, wobei ihre besondere Begabung auf dem Gebiet der Miniaturmalerei lag.
Gesicherte Porträts der Anna Piattoli bewahren die Uffizien in Florenz. Als konzentrierte Künstlerin zeigt sich Piattoli bereits 1744 (nach alter Aufschrift), wobei der strenge Gesichtsausdruck, mit dem sie den Betrachter anschaut, auffällt.(Anm.2) Ebenfalls als Künstlerin erscheint sie auf einem – ihr zugeschriebenen – Doppelporträt mit ihrem Mann, dem Maler Gaetano Piattoli.(Anm.3) Gegenüber diesen, das Künstlertum betonenden Darstellungen ist eine Verknüpfung mit dem weltlich orientierten Hamburger Porträt zunächst schwierig. Ein Vergleich der Gesichtszüge offenbart jedoch eine Übereinstimmung hinsichtlich der großen Augen und den auffallend konturierten Lidern. Für eine Identität der Dargestellten spricht vor allem die recht große Warze rechts unterhalb des Mundes.
Ergänzend sei erwähnt, dass es auch ein 1776 datiertes Altersporträt der Künstlerin gibt. Nun zeigt sie sich, mit schmalen Lippen, wieder als Miniaturmalerin, von der Arbeit hoch schauend.(Anm.4)
Bedenkt man, dass Anna Piattoli sich also auf mindestens drei nachweisbaren Werken der Uffizien dargestellt hat, so ist es nicht ausgeschlossen, dass hier ein weiteres Selbstbildnis der Künstlerin vorliegt. Ein mögliches Indiz wäre auch die sehr feine Zeichentechnik, die auf die versierte Miniaturmalerin hindeutet. Warum sie sich auf dem Hamburger Blatt nicht als ambitionierte Künstlerin, sondern als stolze junge Frau dargestellt hat, muss offen bleiben. Vielleicht diente das sorgfältig ausgeführte Werk rein privaten Zwecken.
Da das Werk der Anna Piattoli noch zu wenig erforscht ist, erfolgt die Zuschreibung mit Vorbehalt.

David Klemm

1 Notiz im Archiv des Kupferstichkabinetts.
2 Florenz, Uffizien, Inv.-Nr. 5345, A 691.
3 Florenz, Uffizien GAM Giornale 897. Während das Gemälde früher als Werk Gaetano Piattolis galt, wird es heute Anna Piattoli zugeschrieben. Als Entstehungszeitraum werden die Jahre 1745/50 angenommen. Eine Deutung der Darstellung steht noch aus. So ist vor allem seltsam, warum nur die Künstlerin als Malerin gezeigt wird, wohingegen Gaetano einen Finger vor den Mund hält. Vgl. Gli Uffizi. Catalogo Generale, Florenz 1979, S. 957, Nr. A 692.
4 Florenz, Uffizien, Inv.-Nr. 2032, A 693.

Details about this work

Rötel, farbige Kreiden auf gelblichem Papier 446mm x 327mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 21143 Collection: KK Zeichnungen, Italien, 15.-19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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