Pellegrino Tibaldi, auch Pellegrino de’Pellegrini, zugeschrieben, Zeichner

Odysseus blendet Polyphem

Die lebendige Zeichnung mit der Blendung des Polyphem hat eine wechselvolle Zuschreibungsdebatte ausgelöst. Die Zeichnung wurde zunächst von Harzen Polidoro da Caravaggio zugewiesen und unter diesem Namen auch inventarisiert. Philip Pouncey schlug per Kartonnotiz Francesco Salviati als Zeichner vor. Diese Meinung wurde wiederum von Catherine Monbeig Goguel (Anm.1) und Alessandro Nova abgelehnt.(Anm.2) Chris Fischer schlug Girolamo Macchietti vor.(Anm.3) Am überzeugendsten erscheint der bereits 1987 von Cecchini gemachte Vorschlag, die Zeichnung Pellegrino Tibaldi zuzuschreiben.(Anm.4) Diese Meinung wurde von Alessandro Nova(Anm.5) und Marzia Faietti (Anm.6) gestützt. Marzia Faietti hält eine Entstehung nach den Fresken im Palazzo Poggi für sicher. Im Gegensatz zu der dort von Pellegrino gewählten Darstellung, wird hier nicht die Folge der Blendung durch Odysseus, sondern die Tat selbst gezeigt. Vergleicht man die Szene mit der durch den Stich von Thulden überlieferten Bildidee Primaticcios für die Galerie d’Ulysse in Fontainebleau, so weist die Figur des Zyklopen mit der zurückgelehnten und verdrehten Haltung einige Ähnlichkeit auf.(Anm.7) Völlig gegensätzlich ist aber das Größenverhältnis zwischen Odysseus und Zyklop, ist doch der griechische Held auf dem Hamburger Blatt im Gegensatz zur Lösung von Primaticcio viel zu groß dargestellt.

David Klemm

1 Kartonnotiz.
2 Mündliche Mitteilung, 1.11.2005.
3 Mitteilung von Chris Fischer anlässlich des Symposiums „Italienische Altmeisterzeichnungen 1450 bis 1800“ am 27. und 28.10.2005 im Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle.
4 Kartonnotiz.
5 Mündliche Mitteilung, 1. 11. 2005.
6 Mündliche Mitteilung auf der Grundlage einer Digitalphotographie, 26. 3. 2008.
7 Sylvie Béguin, Jean Guillaume, Alain Roy: La galerie d’Ulysse à Fontainebleau, Paris 1985, S. 80.

Die im Bestandskatalog 2009 versuchsweise vorgenommene Zuschreibung an Tibaldi wurde 2020 nachdrücklich von Marco Simone Bolzoni und Giada Damen bestätigt. Sie sehen in der Zeichnung ein Musterbeispiel für den jungen Tibaldi, der hier um 1550 seine römischen Eindrücke - wohl noch vor seiner Rückkehr nach Bologna - verarbeitet. So ist etwa der Einfluss Michelangelos in den Anlagen der Körper unverkennbar. Diese sind massiv und kraftvoll, aber auch irgendwie fast schwerelos angelegt. Die WIrkung ist unakademisch, was wiederum auf Tibaldis Frühzeit verweist. Die sichere und elegante Zeichenweise lässt auch den EInfluss von Perino erkennen.
Vgl. Master Drawings, Vol. LVIII, Nr. 1, 2020, S. 18 mit Abb.

Details about this work

Feder in Braun, hellbraun laviert; aufgezogen und mit einer aufwendigen Rahmung versehen Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 21101 Collection: KK Zeichnungen, Italien, 15.-19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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