Fabrizio Boschi, zugeschrieben, Zeichner
Jüngling im langen Gewand, mit einer Schüssel in der Linken
Das Blatt wurde in der Kunsthalle seit jeher – wohl nicht zuletzt aufgrund der alten Beschriftung (Signatur ?) – dem Florentiner Künstler Fabrizio Boschi zugeschrieben. Die Zeichnung eines stehenden Mannes weist sowohl motivische als auch technische Ähnlichkeiten mit Fabrizio Boschi zugewiesenen Studien auf: weich schwingender Linienfluss, Parallelschraffen im Faltenwurf, Verwendung eines auffallend dunklen Rötels. Besonders ähnlich ist die Studie eines stehenden Mannes in den Gallerie dell’Accademia di Venezia.(Anm.1) Diese Zeichnung galt zunächst als Schülerarbeit aus dem Umkreis Cigolis, bevor sie von Simonetta Prosperi Valenti Rodinò als Werk des jungen Boschi eingestuft wurde. Sie konnte die venezianische Zeichnung mit Blättern der Uffizien verbinden (Anm.2), die allesamt in derselben Technik und wohl auch nach demselben Modell angefertigt worden sind. Sie stufte die Blätter als akademische Studien des jungen Boschi ein, was auch für das Hamburger Blatt gelten könnte. Denn dort sind einige Details – so z. B. die Gestaltung der Hände – noch etwas ungelenk. All diese Blätter sind noch entfernt von Boschis Zeichenstil der späteren Jahre, der sich durch eine besondere „morbidezza del segno sfumato“ auszeichnet.(Anm.3)
Trotz dieser durchaus plausiblen Zuordnung zum Œuvre Boschis, ist eine zweifelsfreie Zuschreibung nicht möglich. Zu eng stehen sich einige Florentiner Künstler jener Epoche in ihrem Zeichenstil. So lässt sich z. B. auch eine Figurenstudie von Sigismondo Coccapani (1583–1642) hinsichtlich der Figurenauffassung und des Zeichenstils sehr gut mit dem Hamburger Blatt zusammenbringen.(Anm.4) Für eine Zuschreibung an diesen Künstler plädierte auch Heiko Damm.(Anm.5) Ebenso ist die Studie eines bekleideten Mannes von Cosimo Gamberucci in den Uffizien aufgrund der ähnlichen Strichführung nahestehend.(Anm.6)
David Klemm
1 Venedig, Gallerie dell’ Accademia di Venezia, Inv.-Nr. A 33; vgl. Simonetta Prosperi Valenti Rodinò: Disegni romani, toscani e napoletani. Gallerie dell’Accademia di Venezia, Catalogo dei disegni antichi 5, Mailand 1989, S. 179, Nr. 144, mit Abb.
2 Vgl. Florenz, Gabinetto Disegni e Stampe degli Uffizi, Inv.-Nrn. 9414 F, 9459 F, 9436 F, 9441 F.
3 Vgl. Anm. 1.
4 Ebd.
5 Mitteilung auf der Grundlage einer Digitalphotographie, 25. 3. 2008.
6 Florenz, Gabinetto Disegni e Stampe degli Uffizi, Inv.-Nr. 7618 F.