Baccio Bandinelli, Werkstatt

Die Opferung Isaaks, um 1547

Die Zeichnung zählt zu einer umfangreichen Gruppe von Entwürfen Bandinellis für die Ausschmückung der achtseitigen Marmorbrüstung des unter der Kuppel des Florentiner Doms befindlichen Kanonikerchors. Die durchgehend alttestamentarischen Szenen sollten als Reliefs ausgeführt werden. Jacob Bean stellte 1960 als erster die zu diesem Auftrag gehörigen Blätter zusammen. Diese Gruppe von zehn Zeichnungen wurde von Roger Ward 1988 auf vierzehn erweitert.(Anm.1) Die Entwürfe Bandinellis entstanden etwa zwischen September 1547 und April 1548. Der Zyklus gelangte jedoch nie zur Ausführung, da u. a. Benvenuto Cellini erfolgreich gegen das Projekt opponierte.
Die Ikonographie des Blattes ist nicht eindeutig zu bestimmen. Genau zu erkennen sind im oberen Bereich die Vorgänge um die Opferung Isaaks. Ungewöhnlich ist, dass Isaak und nicht, wie in der Bibel erwähnt, Abraham selbst den Widder heranführt.
Der untere Teil zeigt drei sitzende Männer und einen Esel. Die an einen Trunkenen erinnernde Haltung des linken Mannes hat zu der Annahme geführt, es handle sich hier um die Darstellung der „Trunkenheit Noahs“.(Anm.2) Diese Deutung dürfte jedoch falsch sein, da die Darstellung der Söhne an der Seite des Vaters nicht der biblischen Erzählung entspricht. Wahrscheinlich sind hier die Gehilfen Abrahams mit ihrem Esel zu sehen. Der Patriarch hatte diese aufgefordert, am Fuße des Berges auf ihn zu warten.(Anm.3)
Ungewöhnlich ist, dass zwei verschiedene Szenen auf dem Blatt angelegt sind, da Bandinelli sich bei den anderen Entwürfen zu diesem Zyklus zumeist auf eine Hauptszene konzentrierte.
In der Wiener Albertina wird eine zweite Fassung mit der „Opferung Isaaks“ bewahrt.(Anm.4) Das Blatt ist bis auf wenige Millimeter gleich groß und hinsichtlich der Motive bis in Details hinein weitgehend übereinstimmend.(Anm.5) Technisch lassen sich jedoch einige Unterschiede ausmachen: Vor allem das Strichbild wirkt in Hamburg flauer und kraftloser. Ward hat das Hamburger Blatt dennoch als eigenhändig anerkannt. Es erscheint jedoch eher denkbar, dass hier keine eigenhändige Replik, sondern eine Kopie aus dem nahen Umfeld Bandinellis vorliegt. Zu dieser Einschätzung waren bereits Birke/Kertész gelangt.(Anm.6)
Von der ursprünglichen Zeichnung Bandinellis (also wohl nach dem Wiener Blatt) wurde eine Nachzeichnung angefertigt. Sie gelangte in den Besitz von Vivant-Denon, der das Blatt 1829 in den „Monuments des arts du dessin“ (Bd. II, Taf. 77) als Faksimile publizierte. Spätestens danach ist Denons Zeichnung offensichtlich zerschnitten worden. Der untere Teil mit der Darstellung der drei Männer mit dem Esel ist im Musée Bonnat in Bayonne erhalten.(Anm.7)
Eine Kopie des oberen Teils wurde 1968 bei Paul Prouté angeboten. Es handelt sich aber nicht um den verlorenen oberen Teil des Blattes von Denon, da das Breitenmaß dieser Zeichnung mit demjenigen von Denon nicht übereinstimmt.(Anm.8) Demnach muss es mindestens noch eine weitere Kopie nach Bandinellis Entwurf gegeben haben.
Vor dem Hintergrund dieser verschiedenen Kopien ist es umso mehr denkbar, dass das Hamburger Blatt eine Wiederholung darstellt. Möglicherweise wurde mit diesen Zeichnungen das Interesse von Sammlern bedient.

David Klemm

1 Vgl. Baccio Bandinelli 1493-1560. Drawings from British Collections, bearb. v. Roger Ward, Ausst.-Kat. Cambridge, Fitzwilliam Museum, Cambridge 1988, S. 69–70.
2 Vgl. z. B. Eckhard Schaar in Ausst.-Kat. Hamburg 1997.
3 In der Bibel ist allerdings nur von zwei Personen die Rede.
4 Wien, Albertina, Grafische Sammlung, Inv.-Nr. 290; vgl. Birke/Kertész 1992, S. 169, mit Abb.
5 Die Maße sind: 425 x 280 mm zu 428 x 288 mm.
6 Veronika Birke, Janine Kertész: Die italienischen Zeichnungen der Albertina. Generalverzeichnis, Bd. I (Inv. 1-2000), Veröffentlichungen der Albertina Bd. 33, Wien, Köln, Weimar 1992, S. 169.
7 Bayonne, Musée Bonnat, Inv.-Nr. 117; vgl. Jacob Bean: Les dessins italiens de la collection Bonnat. Inventaire Générale des dessins des Musées de Province 4, Paris 1960, o. S., Nr. 4. Die Übereinstimmungen mit dem Hamburger Blatt und dem Wiener Blatt sind bis ins Detail hinein sehr genau.
8 Dessins originaux anciens et modernes. Estampes anciennes du XVe au XVIIIe siècle. Estampes originales de Maîtres des XIXe et XXe siècles (…) chez Paul Prouté, Catalogue „Primatice“ 1968, S. 5, Nr. 4.

Details about this work

Feder in Braun 428mm x 288mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 21047 Collection: KK Zeichnungen, Italien, 15.-19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang

We are committed to questioning the way we talk about and present art and our collection. Therefore, we welcome your suggestions and comments.

Feedback