Cindy Sherman, Fotografin

Untitled #372, 1976

Aus: "Bus Riders I", 15 Gelatinesilberabzüge, 1976/2000, Blatt 10

Alle 15 Aufnahmen zeigen die Künstlerin in verschiedenen Verkleidungen. Die Bus Riders verkörpern Typen, die Sherman in der Öffentlichkeit beobachtet hat und die sie als Buspassagiere nachstellt. Die Schwarz-Weiß-Aufnahmen sind als Serie konzipiert: Bei immer gleicher Kameraposition ist eine Person auf einem Stuhl abgelichtet. Das Setup ist ein provisorisches Fotostudio mit einer einfach gezimmerten Studiowand. Im Vordergrund sind die während des Rollenwechsels abgelegten Requisiten zu sehen. Durch das sichtbare Kabel des Selbstauslösers wird erkennbar, dass die Künstlerin sich selbst in unterschiedlicher Weise für die Kamera in Szene setzt. Die Fotos, die Sherman 1976 während ihres Studiums aufnahm, wurden 2000 erstmals aufgelegt. Sie sind programmatisch für das Vorgehen der Künstlerin, die über Rasse- und Gendergrenzen hinweg stereotype Rollenbilder reproduziert. Sie hinterfragt so gängige Vorstellungen von Identität und Individualität und thematisiert, wie sich diese in den Klischees der mediengeprägten Gesellschaft auflösen.

Daniel Koep
Jeder Abzug befand sich in einer Klarsichthülle, die unten in der Mitte mit einem weißen Aufkleber versehen ist. Das Label ist betitelt und nummeriert: "372 15/20" (Tinte in Schwarz). Die Gelatinesilberabzüge wurden zwischenzeitlich aus konservatorischen Gründen aus den Klarsichthüllen genommen und gesondert gelagert. Es ist zu vermuten, dass die Reihenfolge der Inventarisierung der Kunsthalle
im gleichen Zuge wie die Entnahme aus den Hüllen stattfand, sodass die Reihfolge der Nummerierung von der Künstlerin vorgegeben wurde. Diese Reihenfolge ist nicht identisch mit der aus dem Werkverzeichnis.


Bestandskatalog GdG 2008, Bd V 2, S. 11:

Ohne Ironie, durchaus aber mit Humor inszeniert Cindy Sherman sich in ihren Photographien. Sie schminkt und verkleidet sich, um verschiedene stereotype Rollenbilder zu verkörpern. Sie betont, dass es sich bei ihren Arbeiten nicht um Selbstportraits handelt, sondern um gespielte Szenen, in denen sie als Protagonistin auftritt. In Untitled (# 396) tritt sie etwa als der Typ strenge Chefsekretärin in Goldkettenprint-Bluse mit randloser Brille auf oder in Untitled (#405) als sportliches All-American-Girl mit Stufenhaarschnitt. Sherman begann in den siebziger Jahren mit Schwarzweißmaterial und kleinen Formaten, die sie zu Serien zusammenfasste. Bereits 1976 versetzte sie sich in der Serie der Busriders durch Verkleidung, Make-up und Perücken in die unterschiedlichsten Typen. Sie überschritt in diesen Verkleidungen bewusst die Grenzen von Geschlecht und Rasse und zeigte sich, bis ins Detail liebevoll ausstaffiert, als schwarze Studentin, mit Kapuzenpulli und an den Körper gepressten Büchern und Mappen oder als junger Angestellter mit Aktenkoffer und verspiegelter Pilotenbrille. Die Aufnahmen entstanden mit dem Selbstauslöser, dessen Kabel sie nicht zu verstecken suchte, sondern im Bild genauso offen legte wie die offensichtlich künstlichen Rollenklischees.

Details about this work

Gelatinesilberverfahren, Gelatinesilberabzug, Barytpapier, matt 19cm x 12.6cm (Bild) 25.2cm x 20.3cm (Blatt) 26.7cm x 21.6cm (Rahmen) Hamburger Kunsthalle, Dauerleihgabe der Stiftung Hamburger Kunstsammlungen Inv. Nr.: 2001-124-10 Collection: KK Fotografie Number of parts: 15 © Cindy Sherman, Courtesy the artist and Hauser & Wirth © SHK/Hamburger Kunsthalle/bpk Foto: Christoph Irrgang

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