Stefano della Bella

Sich duckender Adler mit gespreizten Flügeln

Diese und drei weitere Zeichnungen (Inv.-Nr. 1967-91, 92, 93 stellen Studien von Adlern dar. Della Bella hat diese majestätischen Tiere wiederholt gezeichnet und auch auf mehreren Graphiken dargestellt.(Anm. 1)
Die Blätter sind nicht, wie man auf den ersten Blick meinen möchte, nach der Natur gezeichnet, sondern stellen Kopien nach Vorlagen aus dem Quattrocento dar. Della Bella griff unverkennbar auf eine Zeichnung zurück, deren Zuschreibung seit längerem diskutiert wird.(Anm. 2) Zuletzt hat Lorenza Melli das früher mit Donatello in Verbindung gebrachte Blatt Maso Finiguerra zugeschrieben.(Anm. 3)
Dieses in den Uffizien bewahrte Blatt zeigt vier Adlerstudien. Sämtliche Tiere sind nach links ausgerichtet und in Feder ohne Lavierung gezeichnet. Della Bella hat alle Motive mit großer Genauigkeit übernommen, und auch in technischer Hinsicht entsprechen seine Studien den Vorlagen.
Della Bella ergänzte das Studienblatt allerdings um einen weiteren Adler, der eindeutig identische Formenmerkmale aufweist, jedoch nicht auf der Vorlage zu finden ist. Dies erlaubt den Schluss, dass es eine weitere einzelne Zeichnung eines Adlers von Finiguerra gegeben haben könnte, die heute nicht mehr erhalten ist. Die Zeichnung Finiguerras stammt aus dem Besitz des mit della Bella bekannten Florentiners Filippo Baldinucci und könnte dem Künstler daher zugänglich gewesen sein. Die Tatsache, dass er die Vorlagen weitgehend detailgetreu übernimmt, deutet darauf hin, dass es sich um eine Kopie des jungen della Bella handelt.(Anm. 4) Generell ist das Interesse an Tierdarstellungen für italienische Künstler keineswegs ungewöhnlich und lässt sich seit Pisanello vielfach nachweisen.
In den umfangreichen Studien della Bellas nach Vorlagen verschiedenster Art (Gemälde, Fresken, Graphiken, Zeichnungen, Skulpturen) stellt die Finiguerra-Rezeption das zeitlich älteste Beispiel dar. Es belegt einmal mehr, dass der Künstler in der Wahl seiner Vorlagen völlig offen gewesen ist. Für eine Frühdatierung spricht auch, dass della Bella bereits 1641 eines der Motive in einer Radierung verwendet hat (vgl. Inv.-Nr. 1967-93).
Der sich duckende Adler auf der Zeichnung Inv.-Nr. 1967-90 findet sich seitenverkehrt in sehr ähnlicher Form auf dem von Collignon gestochenen Titelblatt zur Serie „Frises, feuillages et grotesques (…)“ (de Vesme/Massar 979). Die Zeichnung kann als frühe Vorstudie bezeichnet werden, da in der endgültigen Ausführung noch Änderungen vorgenommen wurden. So erscheint nun der vordere Flügel etwas niedriger als der hintere.
In den Uffizien befindet sich eine annähernd identische Darstellung.(Anm. 5) Im Unterschied zur Hamburger Version verwendete della Bella dort eine feinere Feder und reduzierte die Binnenzeichnung.

David Klemm

1 Vgl. z. B. Paris, Musée du Louvre, Département des Arts Graphiques, Inv.-Nr. 385-2, Viatte 1974, S. 160, Nr. 261; vgl. de Vesme/Massar 720–725; 926 u. a.
2 Florenz, Gabinetto Disegni e Stampe degli Uffizi, Inv.-Nr. 33 F.
3 Melli 1995, S. 88, Nr. 99, mit älterer Literatur.
4 Die Änderungen sind minimal. So weist z. B. der Adler auf Inv.-Nr. 1967-92 (Kat.-Nr. 230) etwas weniger Binnenschraffuren als auf der Vorlage auf.
5 Florenz, Gabinetto Disegni e Stampe degli Uffizi, Inv.-Nr. 891 ORN.

Details about this work

Feder in Braun über Spuren eines schwarzen Stifts 72mm x 124mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 1967-90 Collection: KK Zeichnungen, Italien, 15.-19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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