Stefano della Bella

Reiter mit Lanze nach rechts; Reiter nach links; im Hintergrund verschiedene Kampfszenen, um 1635

Diese und die nachfolgenden drei Studien variieren überwiegend Kampfszenen. Zu sehen sind Reiter mit Waffen und Fahnen, zum Teil in ein heftiges Gefecht verwickelt. Einige tragen Ritterrüstungen. Andere Figuren sind in ihrer Funktion nicht klar erkennbar – vielleicht handelt es sich, wie bei Inv.-Nr. 1967-252 rechts um Flüchtende. Die Blätter dürften in den 1630er Jahren entstanden sein. Hierfür spricht einerseits der starke Einfluss von Erfindungen Jacques Callots, wie er z. B. für die rechte Figur auf Inv.-Nr. 1967-89 oder die zweite und die vierte Figur auf Inv.-Nr. 1967-181 festzustellen ist. Zum anderen lassen sich Parallelen mit della Bellas skizzenhafter Zeichenweise in den Skizzenbüchern aus den mittleren 1630er Jahren in den Uffizien ausmachen. Ist dieser Datierungsansatz richtig, so verfügte della Bella bereits als junger Künstler von etwa 25 Jahren über eine erstaunlich sichere und beeindruckend freie Zeichentechnik. Charakteristisch ist, dass er fast ausschließlich gerundete Linien zieht. Auf Binnenschraffuren wird bis auf eine Figur auf Inv.-Nr. 1967-89 ganz verzichtet. Die Konturen werden locker angelegt, häufig lückenhaft gelassen. Vor allem die Pferdekörper werden abstrahiert dargestellt, zumeist werden die Läufe nur mit einem Strich angedeutet oder ganz weggelassen.
Insgesamt wirken die Blätter kompilatorisch und ergeben daher kaum eine Erzähl-struktur. Denkbar ist, dass die Figuren von bislang nicht bestimmten Vorbildern kopiert wurden. Hierauf deutet auch die bereits erwähnte Figur auf Inv.-Nr. 1967-89 oben links hin; sie weist mit der peniblen Senkrecht-Schraffierung auf eine graphische Vorlage hin und lässt sich auch bei anderen Kopien della Bellas nach Graphiken nachweisen.
Die Funktion dieser Studien ist nicht genau zu bestimmen. Umsetzungen in Radierungen sind nicht bekannt. Denkbar ist, dass der Künstler auf diese Weise versuchte, sich das damals beliebte Genre der Schlachtenbilder zu erarbeiten.
Zu dieser Gruppe gehören auch eine Zeichnung mit einer Kampfszene in Edinburgh (Anm. 1) sowie eine im Auktionshandel (Anm. 2) angebotene Gefechtsstudie. Beide Blätter sind ähnlich abstrahierend angelegt. Eine motivische Entsprechung zu dem im gestreckten Galopp vorpreschenden Reiter zeigt die kleine Radierung eines Reiters (de Vesme/Massar 478)(Anm. 3); dort sind die Haltung von Pferd und Reiter nahezu identisch; allerdings zeigt die Radierung wohl einen antiken Krieger.
Welch erstaunliche Entwicklung della Bella innerhalb weniger Jahre genommen hat, verdeutlicht ein Vergleich mit zwei in Rom bewahrten Zeichnungen mit Reiter-kampfszenen.(Anm. 4) Diese Blätter entstanden wohl spätestens zu Beginn der 1630er Jahre, womöglich noch in Florenz.(Anm. 5) Auf diesen Blättern wirken die Pferdekörper in der Konturierung und in der Anlage der Schraffuren noch etwas unbeholfen. Die auf den Hamburger Zeichnungen perfekt beherrschte Abstrahierung der Tierkörper ist hier erst ansatzweise erkennbar.

David Klemm

1 Edinburgh, National Gallery, Inv.-Nr. D 2258; vgl. Andrews 1968, I, S. 45.
2 Aukt.-Kat. London, Sotheby’s, Old Master Drawings, 13. 12. 2001, Nr. 154.
3 Alexandre de Vesme, Phyllis Dearborn Massar: Stefano della Bella. Catalogue Raisonné, Alexandre de Vesme with Introduction and Additions by Phyllis Dearborn Massar, 2 Bde., New York 1971, Bd. I, Nr. 478.
4 Rom, Istituto Nazionale per la Grafica, Gabinetto Nazionale delle Stampe, Inv.-Nr. FC 3773 und 3776; vgl. Disegni di Stefano della Bella 1610-1664 dalle collezioni del Gabinetto Nazionale delle Stampe, bearb. v. Maria Catelli Isola, Ausst.-Kat. Rom, Palazzo della Farnesina, Rom 1976, S. 21, Nr. 11 und 12.
5 Catelli Isola datiert die Blätter auf um 1633, also an den Beginn des römischen Aufenthaltes. Bedenkt man jedoch, dass della Bella bereits 1633/34 hervorragende und sichere Studien von Reitern zeichnet, ist eine frühere Datierung der womöglich nach Graphiken kopierten Blätter wahrscheinlich.

Details about this work

Feder in Braun 100mm x 143mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 1967-89 Collection: KK Zeichnungen, Italien, 15.-19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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