Stefano della Bella

Landhaus an einer Straße mit Bäumen und einer weinberankten Pergola vor dem Eingang sowie einer Gruppe von vier sich begrüßenden Männern rechts im Vordergrund

Das Blatt mit der subtil gezeichneten Szenerie eines Landhauses zählt zu den am schwierigsten zu bewertenden Blättern des Klebebandes. Dies liegt vor allem an der ausschließlichen Verwendung von Kreide, was sich auf della Bellas Landschaftszeichnungen oder topographischen Ansichten nur sehr selten nachweisen lässt. Unabhängig davon ist die Erfassung des Sujets sehr gekonnt, die Figuren und Bäume sind sicher skizziert.
Marco Chiarini äußerte Zweifel an der Zuschreibung an della Bella, hält das Blatt aber ohne Zweifel für florentinisch.(Anm. 1) Möglicherweise könnte ein Künstler wie Christofano Allori Urheber sein. Eine Kreidezeichnung dieses Künstlers in den Uffizien mit einem Blick in eine Landschaft von einer Anhöhe ist allerdings stärker summarisch aufgefasst.(Anm. 2)
Das Hamburger Blatt weist eine auffallende motivische Ähnlichkeit zu Jacques Callots letzter Radierung auf.(Anm. 3) Diese war vom Künstler noch begonnen, doch erst nach dessen Tod 1635 vollendet worden.
Bis ins Detail übereinstimmend ist der Bereich der Architektur. Sogar die bei Callot am hinteren Hausteil lehnende Leiter ist zu erkennen. Auch die Gestaltung der Bäume ist sehr ähnlich. Wesentlich unterschiedlich sind dagegen die Figuren, denn anstelle von Callots Höflingen sind auf der vorliegenden Zeichnung einfachere Menschen dargestellt. Auch fehlen hier die Brunnenanlage im Vordergrund und eine im hinteren Bereich als Sonnenschutz aufgestellte Treillage.
Angesichts der insgesamt unübersehbaren Übereinstimmungen bleibt zu fragen, ob hier nicht eine Zeichnung Callots vorliegt. Die Figuren und die Art der Verwendung der Kreide sind jedoch nicht typisch für ihn.
Callots Radierung lässt ahnen, dass es sich bei dem dargestellten Ort um eine Art Ausflugslokal handelte. Insofern wäre vorstellbar, dass zwei verschiedene Künstler dieses wohl in der Nähe von Florenz gelegene italienische Landhaus gezeichnet haben. Geht man von einer realistischen Wiedergabe der örtlichen Situation aus, so wäre aufgrund der Veränderungen im Außenbereich ein zeitlicher Abstand vorauszusetzen.
Möglich ist aber auch, dass hier eine, allerdings seitenverkehrte Variation von Callots Radierung vorliegt. Hierfür spricht u. a. die exakte Wiederholung des Motivs der an eine Hauswand gelehnten Leiter. Da es in Florenz und darüber hinaus Jahrzehnte hindurch üblich war, die Arbeiten Callots zu studieren und nachzuahmen, muss offen bleiben, ob in diesem Fall della Bella der Zeichner war. Unbestritten bleibt, dass das Blatt für ihn ungewöhnlich ist. Es gilt aber auch zu bedenken, dass er gerade bei seinen topographischen Studien und Landschaftsdarstellungen eine große Variabilität zeigt (s. Einleitung). Hinzu kommt auch die Tatsache, dass der Hamburger Klebeband bei fast 300 Zeichnungen nur wenige fragwürdige Blätter aufweist. Eine Zuschreibung an della Bella erscheint daher unter Vorbehalt vertretbar; zumal bislang keine überzeugende alternative Zuordnung gelungen ist.(Anm. 4)

David Klemm

1 Mündliche Mitteilung auf der Grundlage einer Digitalphotographie, 24. 3. 2008.
2 Florenz, Gabinetto Disegni e Stampe degli Uffizi, Inv.-Nr. 1252.
3 Jacques Callot 1592-1635, Ausst.-Kat. Nancy, Musée historique lorrain, Paris 1992, S. 529, Nr. 715.
4 Im Ashmolean Museum in Oxford befindet sich eine della Bella zugeschriebene Zeichnung, die seitenrichtig weitgehende Übereinstimmung zu Callots Radierung aufweist. Vgl. Photothek des Kunsthistorischen Instituts Florenz, Corpus Gernsheim 48420. Die Zuschreibung an della Bella ist allerdings in Frage zu ziehen, da das Strichbild für ihn sehr untypisch ist. Dieses und andere dazugehörige Blätter sind sicherlich von della Bella beeinflusst, doch eher von einem Zeitgenossen ausgeführt.

Details about this work

Kreide, Griffelspuren 98mm x 148mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 1967-290 Collection: KK Zeichnungen, Italien, 15.-19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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