Anonym (deutsch, 16. Jh.)

Das jüngste Gericht, 1593

Das Blatt stammt ursprünglich aus einem Klebeband, der sich seit Beginn der 60er Jahre als Dauerleihgabe der Hamburger Staats- und Universitätsbibliothek im Kupferstichkabinett befindet. Die Zeichnung ist zunächst einem niederländischen Künstler zugeschrieben worden, doch ist eine Entstehung in Deutschland nicht unmöglich. Darauf könnte auch das verwendete Papier deuten, dessen Wasserzeichen Ähnlichkeit mit schlesischen Mühlen aufweist. Ein schlesischer Künstler kann als Autor allerdings ausgeschlossen werden.(Anm. 1)
Das Bildthema ist hier nicht mehr in der Art Christoph Schwarz’ (um 1548–1592) ausgebreitet, dessen Komposition durch den Stich Johann Sadeler d. Ä. (um 1550–1600 großen Einfluss hatte (Hollstein 260) und in der Maria als Fürbitterin nahe an Christus herangerückt ist. Auf dem Hamburger Blatt ist sie wie Johannes dergestalt weiter nach unten gesetzt, dass beide nur noch wenig aus dem Reigen der Engel, Propheten und Patriarchen hervorgehoben sind. Ihre Position entspricht ähnlichen Darstellungen des Jüngsten Gerichts von Friedrich Sustris (Anm. 2) (um 1540– 1599) oder einem Hans Rottenhammer (1564–1625) (Anm. 3) zugeschriebenen Blatt, allerdings fehlt auf dem Hamburger Blatt die Vorweisung der Leidenswerkzeuge.(Anm. 4)
Eine stilistisch ähnliche Darstellung des Jüngsten Gerichts befand sich ehemals im Kunsthandel, die dort irrtümlich Rudolf Meyer (1605–1638) zugeschrieben wurde.5 Achim Riether hat Meyer als Autor ausgeschlossen und zu Recht auch eine Entstehung der Zeichnung in der Schweiz in Frage gestellt.6

Peter Prange

1 Jacek Tylicki, Thorn, hat als Autor zwar David Heidenreich (1567–1633) in Erwägung gezogen, doch ist auch eine Entstehung in Sachsen bzw. Norddeutschland – etwa Braunschweig – nicht ausgeschlossen (Email vom 27.7.2006, Bildakte). Heidenreich hat dagegen Andrej Kozieł, Breslau, als Autor ausgeschlossen (Email vom 3.8.2006, Bildakte). Ich danke beiden für ihre Einschätzung.
2 Köln, Wallraf-Richartz-Museum, Inv.-Nr. Z 1834, vgl. Heinrich Geissler: Zeichnung in Deutschland. Deutsche Zeichner 1540-1640, Ausst.-Kat. Stuttgart 1979, Bd. 1, S. 136, D 8, Abb.
3 Darmstadt, Hessisches Landesmuseum, Inv.-Nr. AE 310, vgl. Rudolf Arthur Peltzer: Hans Rottenhammer, in: Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses 33, 1916, S. 338, Nr. 19, Abb. 31.
4 Ähnlichkeiten zwischen Rottenhammers Blatt und der Hamburger Zeichnung bestehen vor allem in der Art der Modellierung, doch handelt es sich dabei offensichtlich um zeittypische Stilmerkmale. Auf beiden Blättern sind in einem kräftigen, geschlossenen Kontur die Figuren angegeben, die durch die Lavierung mit akzentuierenden Federstrichen ihre Plastizität erhalten. Die Intensität des Strichs und der Lavierung nimmt in dem Maße ab, wie die Figuren auf der Darstellung in die Ferne rücken. Bei Rottenhammer ist neben den etwas steiferen Figuren deutlich eine Tendenz zur Vereinzelung von Motiven festzustellen, weshalb sein Blatt in Darmstadt erst nach seiner Rückkehr nach Augsburg frühestens 1606 entstanden sein kann.
5 Vgl. Fine Old Master Drawings. The Propertiy of Lady Diana Cooper and from various sources, 8.4.1986, Christie’s, London 1986, S. 68, Nr. 126, Abb. (“attributed to Rudolph Meyer”).
6 Achim Riether: Rudolf Meyer (1605–1638): Schweizer Zeichenkunst zwischen Spätmanierismus und Frühbarock. Katalog der Handzeichnungen, München 2002, S. 706, Nr. A 26.

Details about this work

Feder in Schwarz und Grau, grau laviert über Kohle auf gelblichem Papier; Einfassungslinien Feder in Schwarz 393mm x 320mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 1963-89 Collection: KK Zeichnungen, Deutschland, 15.-18. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang

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