Cornelis de Wael, Nachahmer, Zeichner

Ringkampf in Rom, um 1655 - 1665

Zwar begegnen vergleichbare Figurentypen im graphischen Werk des Künstlers,(Anm.1) und eine Tendenz zur schematischen Vereinfachung der Gesichtszüge ließ sich auch auf Inv.-Nr. 22674 und 22673 beobachten. Hier indes besitzen einige der stark vereinfachten Physiognomien nahezu karikierende Züge.(Anm.2) In Verbindung mit der überaus harten, knappen und nicht immer geschickt wirkenden Modellierung gibt dies Anlass zu Zweifeln an der Eigenhändigkeit. Gleicher Auffassung ist Alison Stoesser, die das Blatt nicht in den Œuvrekatalog De Waels aufnimmt.(Anm.3)
Möglicherweise bestand ein Bezug zu einem entsprechenden Gemälde des Künstlers.(Anm.4) In jedem Fall sind die zahlreichen Pentimenti Hinweis auf die Hand eines vergleichsweise selbständig arbeitenden Nachahmers. So sollte das als Baldachin ausgespannte Tuch ursprünglich weiter in den Raum hineinreichen, und das Gebirge im Hintergrund war höher angesetzt. Anstelle des Säulenfragmentes war zeitweise offensichtlich ein hochrechteckiges Gebäude geplant. Darauf deuten der an dieser Stelle unbearbeitet gelassene Hintergrund und die rechts und links davon stehen gebliebenen Reste eines Simses. Aus der partiellen Lavierung dieser Motive ergeben sich die auf den ersten Blick befremdlich wirkenden „Kontinuitätsbrüche“ im Konturenverlauf.
Auf eigenhändige Veränderung deutet auch das rechts angestückte Papier. Die Zeichnung stammt aus einem großformatigen Skizzenbuch, und die Spuren der Fadenheftung in der Blattmitte lassen darauf schließen, dass das ursprüngliche Papierstück etwa maßgleich mit dem heutigen Exemplar war. Offensichtlich hielt es der Künstler für nötig, eine Partie am rechten Blattrand abzutrennen und durch eine neue Fassung zu ersetzen.
Wenngleich Ringkämpfe wie hier dargestellt sicherlich ein Stück römischer Lebenswirklichkeit waren,(Anm.5) wird es sich bei Inv.-Nr. 1963-396 kaum um eine Aufnahme nach dem Leben handeln, sondern um eine Schöpfung „uyt den gheest“. Charakteristisch für solch eine freie Erfindung sind Antikenzitate wie der sich entkleidende Mann vorne links – Anspielung auf eine Skulptur in den Gärten der Villa Medici in Rom.(Anm.6) Dieselbe Plastik nahm sich auch Michael Sweerts zum Vorbild für eine ähnliche Figur auf einem um 1648/50 anzusetzenden Gemälde in Karlsruhe.(Anm.7) Die daraus abgeleitete Bestimmung unseres Blatt als Wiederholung des Karlsruher Bildes ist angesichts zahlreicher Abweichungen sicher auszuschließen.(Anm.8)

Annemarie Stefes

1 Z. B. H. 23, wohl in den 1640er Jahren entstanden, oder H. 30, 1645.
2 Etwa die eigenartig zusammengekniffenen Augen des stehenden Herrn am linken Blattrand und des am Tisch sitzenden Kassierers, die sich letztlich ableiten lassen von der Gesichtswiedergabe bei De Wael, vgl. Inv..-Nr. 22674.
3 Mitteilung vom 13. 1. 2010 auf Grundlage einer Digitalphotographie.
4 Entsprechende Werke sind nicht bekannt, werden aber z. B. erwähnt im Auktionskatalog der Sammlung Zomer, Amsterdam, 1708 (Lugt Ventes 219), Nr. 13: „Italiaense worstelaars van Cornelio de Waal“ („italienische Ringkämpfer“). Für diesen Hinweis danke ich Alison Stoesser (Mitteilung per E-Mail, 13. 1. 2010).
5 Vgl. Jansen, in: Guido Jansen, Peter C. Sutton (Hrsg.): Michael Sweerts (1618-1664), Ausst.-Kat. Amsterdam, Rijksmuseum, San Francisco, Museum of Fine Arts, Hartford (Conn.), Wadsworth Atheneum, Amsterdam 2002, S. 94.
6 „Kniender Niobide“, vgl. Kultzen, in: I Bamboccianti. Niederländische Malerrebellen im Rom des Barock, hrsg. v. David A. Levine, Ekkehard Mai, Ausst.-Kat. Köln, Wallraf-Richartz-Museum, Utrecht, Centraal Museum, 1991/92, S. 275.
7 „Römischer Ringkampf“, Karlsruhe, Staatliche Kunsthalle, Inv.-Nr. 2496, I Bamboccianti. Niederländische Malerrebellen im Rom des Barock, hrsg. v. David A. Levine, Ekkehard Mai, Ausst.-Kat. Köln, Wallraf-Richartz-Museum, Utrecht, Centraal Museum, 1991/92, Nr. 33.4.
8 Vgl. Kultzen, in: Ausst.-Kat. I Bamboccianti. Niederländische Malerrebellen im Rom des Barock, hrsg. v. David A. Levine, Ekkehard Mai, Ausst.-Kat. Köln, Wallraf-Richartz-Museum, Utrecht, Centraal Museum, 1991/92. Die in abweichender Körperhaltung wiedergegebenen Ringer sind bei Sweerts bildbeherrschend; zudem unterscheidet sich die architektonische Rahmung. Jansen, in: Guido Jansen, Peter C. Sutton (Hrsg.): Michael Sweerts (1618-1664), Ausst.-Kat. Amsterdam, Rijksmuseum, San Francisco, Museum of Fine Arts, Hartford (Conn.), Wadsworth Atheneum, Amsterdam 2002, ließ die Frage offen, ob es sich hier um mehr als eine zufällige Übereinstimmung handelt.

Details about this work

Feder in Schwarz, grau laviert, Spuren von Kohle oder Graphit auf gelblichem Papier; Einfassungslinien (Feder in Braun) 311mm x 471mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 1963-396 Collection: KK Zeichnungen, Niederlande, 15.- 19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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