Carlo Ridolfi, zugeschrieben, Zeichner

Religiöse Szene

Das Blatt mit der komplexen religiösen Darstellung gelangte als Werk eines unbekannten Niederländers in die Sammlung. Bert W. Meijer schrieb es dann per Kartonnotiz zunächst Antonio Vassilaschi detto l’Aliense (1556–1629) zu. Dies wohl vor allem deshalb, weil die Darstellung der Vier Evangelisten mit einer Weltkugel an den Hochaltar von S. Giorgio Maggiore in Venedig erinnert, der nach einem abgewandelten Entwurf Alienses um 1592/93 von Girolamo Campagna ausgeführt worden ist.(Anm. 1) Dort halten jedoch – im Gegensatz zur Hamburger Lösung – die vier Evangelisten die Weltkugel, auf der Gottvater steht.
Meijer hat diese erste Zuschreibung dann 1998 revidiert und den venezianischen Maler Carlo Ridolfi als Urheber vorgeschlagen. Er tat dies vor dem Hintergrund eines für Ridolfi gesicherten Blattes, das ehemals im Pariser Kunsthandel angeboten wurde.(Anm. 2) Es handelt sich um den eigenhändigen Entwurf für ein von Jacopo Piccini gestochenes Frontispiz der von Ridolfi verfassten „Le Meraviglie dell’arte“. Von dieser wohl kurz vor der Drucklegung 1648 entstandenen Zeichnung ausgehend, hat Meijer das bis dahin kaum greifbare zeichnerische Œuvre des Künstlers um einige Beispiele erweitert.(Anm. 2) Meijer wies überzeugend darauf hin, dass der Evangelist Johannes und der Engel von Matthäus auf dem Hamburger Blatt formale Ähnlichkeiten mit der Fama und dem Putto unten rechts auf dem Pariser Blatt aufweisen. Einschränkend sei betont, dass ein noch präziserer Vergleich aufgrund der unterschiedlichen Zeichenmaterialien – in Hamburg Feder, in Paris Kreide – nur begrenzt möglich ist. Trotz der angedeuteten Schwierigkeit soll jedoch die von Meijer vorgenommene Zuschreibung hier mit Vorsicht beibehalten werden.
Unabhängig von dieser Problematik bietet das Blatt in ikonographischer und gestalterischer Hinsicht einige Probleme. Schlüssig ist der Bezug zum Hochaltar von S. Giorgio Maggiore. Er erklärt sich nicht nur daraus, dass das Werk in Palladios Kirche jedem venezianischen Künstler des 17. Jahrhunderts als vorbildhaft vor Augen stand. Der Bezug ist auch dadurch fast zwingend, weil Ridolfi von 1607 bis etwa 1612 Schüler von Aliense gewesen ist. Offen bleiben muss jedoch, zu welchem Zweck Ridolfi sich mit dem berühmten Vorbild auseinandersetzte. Unverkennbar reicht seine Lösung qualitativ nicht an dieses heran. Im Gegensatz zu dieser Komposition stehen auf dem Hamburger Blatt Erdkugel und Heilige in keinerlei Verbindung. Und auch die Eucharistiefeier im oberen Teil hat keinerlei formalen Bezug zur unteren Gruppe. Dadurch zerfällt die Komposition in drei eigenständige Teile, was zur Verunklärung der Funktion des Blattes beiträgt. Vielleicht stellt die runde Form aber auch keine Erdkugel dar, sondern diente lediglich als Platzhalter für eine ehemals geplante Inschrift. Diese könnte mit dem unbekannten Auftraggeber zusammenhängen, dessen Wappen – ein Turm auf dessen Spitze der Hl. Michael erscheint – sich unten mittig befindet.

David Klemm

1 München, Staatliche Graphische Sammlung, Inv.-Nr. 38037. Vgl. Bert W. Meijer: Disegni di Antonio Vassilacchi detto l’Aliense, in: Arte Veneta 53, 1998 (1999), S. 35-51, S. 40–41.
2 Bert W. Meijer: Per Carlo Ridolfi Disegnatore, in: Festschrift Grassi 1998, S. 217-229, S. 227, Abb. 1.

Details about this work

Feder und Pinsel in Braun über schwarzem Stift 318mm x 209mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 1957-236 Collection: KK Zeichnungen, Italien, 15.-19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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