Pieter van Loo, (?), Zeichner
Rachel Ruysch, ehemals zugeschrieben, Zeichnerin

Blumenvase in einer Wandnische

Diese Zeichnung galt ehemals als Werk der Rachel Ruysch und wurde als solche – mit leichtem Vorbehalt – von Stubbe 1958 Jahren publiziert. Eine spätere Karteinotiz verweist auf eine in gleicher Technik gearbeitete, Ruysch zugeschriebene Zeichnung in Brüssel.(Anm.1)
Heute indes wird die Existenz gezeichneter Arbeiten der Künstlerin grundsätzlich bezweifelt; offensichtlich schuf Ruysch ihre Gemälde in direkter Naturanschauung.(Anm.2)
Auf dem Symposium „Niederländische Altmeisterzeichnungen 1500 bis 1800“ am 21. und 22. 2. 2008 im Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle brachte Robert-Jan te Rijdt das Blatt in Verbindung mit Jan van Huysums Nachfolger Willem van Leen (1753–1825). Stilistische Kriterien wie die gruppenweise angeordneten Parallelschraffen, die fahrig und frei markierten Blütenblätter und die stellenweise vibrierenden Umrisslinien begegnen auf signierten Zeichnungen des Künstlers und anzuschließenden Blättern,(Anm.3) zu denen möglicherweise auch die von Stubbe angeführte „Ruysch“- Zeichnung in Brüssel gehört.(Anm.4)
Eine gegenteilige Auffassung vertrat Sam Segal, Experte für Blumenstillleben des 18. Jahrhunderts, der hier keine Bezüge zu Willem van Leen beobachten konnte und das Blatt vielmehr dem Haarlemer Blumenmaler Pieter van Loo zuschreiben würde.(Anm.5) Zwar unterscheidet sich unser Blatt in der luftigeren, unruhigeren Binnenzeichnung von den kompakter anmutenden Formen signierter Van Loo-Zeichnungen. Andererseits finden Eigenheiten wie die durch kurze Querschraffuren markierten Blumenstängel links eher im Œuvre Van Loos ihre Entsprechung.(Anm.6) Darüber hinaus wäre die nicht immer botanische Exaktheit charakteristisch für Van Loo, dem weniger an der realistischen Darstellung als an dem künstlerischen Arrangement der Pflanzen gelegen war.(Anm.7) Bei einer Zuschreibung an Van Loo ließe sich unser Blatt möglicherweise identifizieren mit einer 1780 in Amsterdam versteigerten Zeichnung.(Anm.8)

Annemarie Stefes

1 Brüssel, Musées Royaux des Beaux-Arts, Sammlung De Grez, Inv.-Nr. 4060/3108, Ralph Warner: Dutch and Flemish Flower and Fruit Painters of the XVIIth and XVIIIth Centuries, London 1928, Taf. 83 d.
2 Sybille Ebert-Schifferer: Die Geschichte des Stillebens, München 1998, S. 111.
3 Vgl. eine signierte Zeichnung in Dordrecht, Dordrechts Museum, Inv.-Nr. DM/938/T422, 1700-1850. 150 jaar Dordtse tekenkunst, Ausst.-Kat. Dordrechts Museum, Dordrecht 1984, Nr. 22 und je eine Van Leen zugeschriebene Zeichnung, Aukt.-Kat. Amsterdam, Christie’s, 24. 11. 1992, Nr. 359 und Amsterdam, Rijksprentenkabinet, Inv.-Nr. RP-T-1898-A-3711 (fälschlich „Jan van Huysum“ signiert); vgl. in gleicher Sammlung Inv.-Nr. RP-T-1976–66 und Inv.-Nr. RP-T-1976-64 für die kurzgestrichelten Schraffen. – Robert-Jan te Rijdt sah auch in dem kurvig gewundenen Blütenstengel links ein Stilmerkmal Van Leens, vgl. Gemälde des Künstlers, z. B. Aukt.-Kat. Bern, Dobiaschofsky, 10. 11. 2004, Nr. 76; Aukt.-Kat. London, Philips, 7. 7. 1998, Nr. 64.
4 Vorgeschlagen von Robert-Jan te Rijdt, Juni 2008.
5 Freundliche Mitteilung, 10. 2. 2010.
6 Vgl. Zeichnungen in Brüssel, Musées Royaux des Beaux-Arts, Sammlung De Grez, Inv.-Nr. 4060/2331 (236 x 145 mm); München, Staatliche Graphische Sammlung, Inv.-Nr. 3341, Wolfgang Wegner: Die niederländischen Handzeichnungen des 15.-18. Jahrhunderts. Textband, Kataloge der Staatlichen Graphischen Sammlung München, 2 Bde, München 1973, Nr. 1499 oder Aukt.-Kat. London, Christie’s, 8. 12. 1976, Nr. 74. Vergleichsweise nahe steht unserem Blatt auch ein Van Loo zugeschriebenes Aquarell, Aukt.-Kat. New York, Sotheby’s, 13. 1. 1988, Nr. 165. Die Vase findet sich ähnlich auf einer weiteren Van Loo zugeschriebenen Zeichnung, Aukt.-Kat. New York, Christie’s, 31. 5. 1990, Nr. 115. Für die zur Verfügung gestellten Abbildungen danke ich Sam Segal.
7 Eindeutig zu definieren sind die Hundertblättrige Rose (Rosa centifolia) unten links und rechts, und die Weisse Rose in der Blattmitte; bei den anderen Pflanzen könnte es sich um Kronen-Windröslein (links), Alpen-Aster (oben links), Stockrose (oben rechts) und Nelke handeln, wie von Sam Segal vorgeschlagen wurde (freundliche Mitteilung per E-Mail, 2. 3. 2010).
8 Aukt.-Kat. Amsterdam, Smitt 1780, S. 130, Album M, Nr. 886 als Pieter van Loo: „Twee stuks, met Bloemen, geplaatst in een Vaas, en in een Glas, beide staande in een Marmeren Nis; uitvoerig met Sapjes, als de voorgaande in kleuren geteekend, hoog 11, br. 9 duim“, für ƒ 7 an Delfts; die Maße betragen umgerechnet etwa 283 x 231 mm.

Details about this work

Feder in Braun, aquarelliert 275mm x 211mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 1951-264 Collection: KK Zeichnungen, Niederlande, 15.- 19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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