Paul Klee

Seiltänzer, 1923

Die Grundfläche der Komposition wird durch eine in Rot gedruckte Tonplatte, in deren Zentrum ein weißes Kreuz freigelassen wurde, klar akzentuiert. Oben und unten findet sich jeweils eine Wolke aus schwarzer Druckfarbe, die an Paul Klees Ölpaus-Technik erinnert. Über dieses Feld druckte der Künstler das Motiv in Schwarz, das die Hochseilanlage in einem Zirkus und den am oberen Rand auf dem Seil balancierenden Seiltänzer wiedergibt. So entsteht ein imaginärer, weiter Raum, in dem sich der nur strichartig wiedergegebene Seiltänzer bewegt.

Paul Klees Farblithographie "Seiltänzer" gehört zu seinen bekanntesten Werken. Sie erschien 1923 als Blatt IV der aus Originalgraphiken und Lichtdrucken verschiedener Künstler bestehenden Mappe "Kunst der Gegenwart", die in der Steindruckerei des Staatlichen Bauhauses in Weimar gedruckt wurde. Im Auftrag der Münchener Marées-Gesellschaft wurde die Mappe beim Verlag Rudolf Piper & Co. in insgesamt 300 Exemplaren veröffentlicht. Das Motiv wurde zunächst als Ölfarbenzeichnung und Aquarell nach einer Bleistiftzeichnung entwickelt und anschließend vom Künstler in den Steindruck übertragen. Dieser Wechsel zwischen verschiedenen künstlerischen Medien wie Zeichnung, Ölpaus-Technik und dem Umdruckverfahren, die sich gegenseitig beeinflussten, wurde von Klee bevorzugt angewendet.1

Die Komposition des Blattes "Seiltänzer" ist eine perfekte Umsetzung der formalen Prinzipien von Klees Bauhaus-Lehre und ein gutes Bildbeispiel für dessen früh formuliertes Bemühen, »architektonische und dichterische Malerei in Einklang zu bringen«.2 In abstrakter Form wird hier durch Klee der alltägliche Balanceakt des Menschen mit seinen oft waghalsigen Experimenten und Gefährdungen, die unerwartet stets ins Bodenlose, also in den Tod führen können, in den Krisenjahren nach Ende des Ersten Weltkriegs symbolisch ins Bild gesetzt. Das eine mögliche Rettung beim Sturz andeutende Gewirr von Leitern und Abgängen scheint dabei, wie im wirklichen Leben, recht unübersichtlich und fragil.

Andreas Stolzenburg

1 Vgl. Wolfgang Wittrock, »Erläuterungen zu Klees graphischen Techniken«, in: Paul Klee. Das Werk der Jahre 1919-1933. Gemälde, Handzeichnungen, Druckgraphik, Ausst. Kat. Kunsthalle Köln, Köln 1979, S. 137 f., hier S.137.
2 Zit. nach Christian Geelhaar, Paul Klee. Leben und Werk, Köln 1974, S. 28.

Details about this work

Lithographie mit roter Tonplatte 431mm x 268mm (Platte) 533mm x 390mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 1949-58 Collection: KK Druckgraphik, 20.-21. Jh. © Bildarchiv Hamburger Kunsthalle / bpk, CC-BY-NC-SA 4.0

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