Philipp Otto Runge, Zeichner
nach Raffaello Sanzio Morghen, vermutet, Stecher
Guido Reni, Maler, Erfinder

Zweite ganzfigurige Hore von links (nach Guido Renis "Aurora" im Casino Pallavicini-Rospigliosi in Rom), 1798/99

Die drei Blätter geben Horen und die Aurora aus Guido Renis 1614 entstandenem Fresko “Apoll und Aurora” im Casino dell’Aurora in der Villa Pallavicini-Rospigliosi in Rom wieder (Anm. 1), das Runge in einer Reproduktion vorlag. Runge hat nicht das gesamte Fresko kopiert, sondern sich als Einzelfiguren die schreitenden Horen und die fliegende Aurora herausgegriffen, die ihm als charakteristische Vorbilder für Bewegungsstudien dienten.
Diese Verfahren, einzelne Figuren aus ihrem erzählerischen Zusammenhang heraus zu lösen, ist charakteristisch für Runges Nachzeichnungen. Die drei Blätter in Hamburg sind auf beidseitig benutzt und geben jeweils dieselbe Figur wieder; auf Inv. Nr. 1938-86 verso ist die Figur der Aurora in einer etwas unbeholfenen Weise als reine Umrisszeichnung in schwarzer Kreide wiedergegeben, während auf der Vorderseite (Inv. Nr. 1938-86 recto) Aurora als sichere Federzeichnung erscheint. Dies gilt auch für die Vorder- und Rückseite von Inv. Nr. 1938-85, auf der sich jeweils die Nachzeichnung der vierten Hore von links befindet, und für Inv. Nr. 1938-84, die auf Vorder- und Rückseite die zweite Hore von links zeigt. Ob ehemals auch eine Zeichnung nach der ersten Hore links existierte, lässt sich nur vermurten.
Neben den drei Hamburger Zeichnungen befinden sich noch zwei weitere Zeichnungen nach Renis Fresko in Privatbesitz, die für Runges Vorgehen aufschlussreich sind, da sie die dritte ganzfigurige Hore von links in unterschiedlicher Ausfertigung zeigen. Zunächst hat sie Runge als reine Federzeichnung gegeben, auf der durch ein dichtes Gerüst von Kreuzschraffuren die Licht- und Schattenwerte herausgearbeitet werden (Anm. 2). Offensichtlich erst in einem zweiten Schritt hat Runge dann die Hore noch einmal als sorgfältige Pinsel- und Federzeichnung ausgeführt (Anm. 3). Dies lässt für zumindest für die einfachen Umrisszeichnungen auf den Rückseiten der drei Hamburger Blätter vermuten, dass sie aufgrund ihrer zeichnerischen Unsicherheiten den Vorderseiten vorangegangen sind, die die Hand eines sicheren Kopisten verraten.
Nach Stubbes Ausführungen zu den Papieren, aber auch aus den beschriebenen stilistischen Gründen ist die Annahme von Berefelt (Anm. 4) und Langner (Anm. 5), die Nachzeichnungen seien erst in Dresden entstanden, auszuschließen, zumal sich in Hardorffs Nachlass ebenfalls Kopien nach Renis „Aurora“ befanden (Anm. 6). Entstanden sein dürften Runges Zeichnungen wahrscheinlich nach Raphael Morghens Stich von 1787, der sich in der Kupferstichsammlung Johann Michael Speckters befand (Anm. 7).
In den Zeichnungen nach Renis „Aurora“ kam Runge erstmals mit dem Thema der Morgenröte in Berührung, dass er später in den beiden Gemäldefassungen des „Morgens“ als romantische Reflexionsbilder ausgestalten sollte (vgl. Inv. Nr. 34187 und 34194).

Peter Prange

1 Zum Fresko vgl. D. Stephen Pepper: Guido Reni. A complete catalogue of his works with an introductory text, Oxford 1984, S. , Nr. 40
2 Dritte ganzfigurige Hore von links, Feder in Schwarz, 332 x 214 mm, Privatbesitz, vgl. Traeger 1975, S. 267, Nr. 82 d.
3 Dritte ganzfigurige Hore von links, Feder und Pinsel in Schwarz, 331 x 201 mm, Privatbesitz, vgl. Traeger 1975, S. 267, Nr. 82 e.
4 Berefelt 1961, S. 208, Anm. 9.
5 Langner 1963, S. 8-9.
6 Traeger 1975, S. 267.
7 Nachlass Johann Michael Speckter, vgl. Verzeichniss der Kupferstichsammlung des Herrn J. M. Speckters in Hambg. Erste Abtheilung, Italienische und Englische Schule, welche Mittwochs, den 24. April 1822 in Leipzig im rothen Collegio öffentlich versteigert wird, S. 64, Nr. 1006.

Details about this work

Feder und Pinsel in Braun über Bleistift 331mm x 197mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 1938-84 Collection: KK Zeichnungen, Deutschland, 1800-1850 © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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