Philipp Otto Runge

Bildnis Pauline Runge als Braut, 1803

Nach Familientradition befand sich zu Beginn der 1860er Jahre bei Runges Bruder Gustav in Wolgast eine kleine Bleistiftzeichnung, „die liebreizende Braut des Künstlers darstellend.“ (Anm. 1) Lichtwark wusste ergänzend zu berichten, dass Runge, als er nach seiner Verlobung mit Pauline im August 1803 seine Eltern in Wolgast besuchte, das kleine Bildnis seiner Braut aus dem Gedächtnis gezeichnet hätte (Anm. 2). Dass es sich bei dem vorliegenden Blatt um das aus der Erinnerung gezeichnete Bildnis handelt, wird laut Traeger vor allem „durch den modellfremden Kontrast zwischen dem liebevoll-schmeichelnd gezeichneten Kopf und der fast primitiv-summarisch behandelten Gewandpartie wahrscheinlich gemacht.“ (Anm. 3) Da es sich um ein Bildnis der Braut handelte, müsste es nach dem 13. April 1803, dem Datum der Verlobung, entstanden sein; allerdings weist Traeger darauf hin, dass Runge seine Reise nach Wolgast in Begleitung von Pauline und ihrer Mutter antrat, weshalb er vermutet, dass die Zeichnung vor der Ankunft Paulines möglicherweise an die Familie geschickt wurde, wofür auch das kleine Format ein Indiz sein könnte.
Auffassung und zeichnerische Ausführung lassen eine spontane Entstehung des Bildnisses vermuten, die darauf zu deuten scheint, dass das Blatt tatsächlich aus der Erinnerung entstanden ist. Der Kontrast zwischen den sorgfältig gesetzten dichten Strichlagen im Gesicht, dem freier behandelten Haar und dem durch scharfe, entschiedene Schraffuren begrenzten Halsausschnitt macht es zu dem lebendigsten Bildnis Paulines, das frei von jeder stilistischer bzw. zeitlicher Konvention ist.

Peter Prange

1 Semrau 1910, S. 228.
2 Lichtwark 1905, S. 289.
3 Traeger 1975, S. 339.

Details about this work

Bleistift, Spuren von schwarzer Kreide 156mm x 115mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 1921-16 Collection: KK Zeichnungen, Deutschland, 1800-1850 © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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