Moritz Steinla, Stecher, Zeichner
nach Raffael, eigentlich Raffaello Santi oder Sanzio, Maler, Erfinder
Heinrich Felsing, Drucker

Madonna mit dem Fisch, auch "Madonna del Pesce" / "SCMA. VIRGO A PISCE DICTA", 1843

Um 1513/1514 malte Raffael die Madonna del Pesce, welche die Vorlage für Moritz Steinlas Kupferstich bildet. Das Gemälde wird erstmals 1524 in der Cappella del Doce in der Kirche S. Domenico in Neapel erwähnt. 1638 kam es zunächst in Besitz des Duca Medina de las Torres, Vizekönig von Neapel, und 1642 Philipps IV. von Spanien. 1813 wurde die Madonna del Pesce nach Paris gebracht und dort unter Féréol Bonnemaison restauriert, bevor sie 1818 zurück nach Spanien gelangte. Seit 1837 befindet sich das Gemälde in der Sammlung des Museo del Prado in Madrid. (Anm. 1) Die thronende Madonna mit Christus befindet sich im Zentrum vor einem Vorhang, welcher den Blick auf eine Landschaft freigibt. Flankiert wird sie vom in Kardinalstracht gekleideten Hl. Hieronymus mit dem Löwen. Auf der anderen Seite geleitet der Erzengel Raphael den Tobias zu ihr. Christus, welcher mit der linken Hand die Bibel des Hl. Hieronymus berührt, streckt seinen rechten Arm zu Tobias aus, dessen linke Hand durch den Engel zu ihm emporgehoben wird. Raffael verbindet die Figuren so in einer harmonischen und zugleich dynamischen Komposition miteinander.
Eine erste bildliche Rezeption erfuhr das Gemälde kurz nach seiner Vollendung, als Marco Dente einen Stich nach dem erhaltenen modello anfertigte. (Anm. 2) Da sich das Original mit Neapel und vor allem Spanien über einen langen Zeitraum an Orten befand, an denen sich vergleichsweise wenig Stecher aufhielten, erfolgte eine ausgeprägte kunsthistorische Auseinandersetzung mit dem Werk vor allem seit dem frühen 19. Jahrhundert. (Anm. 3) Die seit dem zunehmende Bekanntheit der Madonna del Pesce schlägt sich auch in der ansteigenden Zahl von Reproduktionsgraphiken nieder, die teils das gesamte Gemälde, teils – wie Inv.-Nr. 55839, eine Chalkographie nach dem Haupt des Erzengels Raphael – bestimmte Bildausschnitte wiedergeben. Unter diesen zeichnet sich das vorliegende Blatt besonders durch die malerisch-weiche Wirkung aus: Vergleicht man es beispielsweise mit dem Kupferstich von der Hand Boucher Desnoyers, der durch seine brillant gesetzten, klaren Linien besticht, wird es dem Gemälde hinsichtlich der malerischen Komponente dennoch gerechter. So verwundert es nicht, dass der Stich, zusammen mit dem 1848 entstandenen Blatt nach Raffaels Sixtinischer Madonna, zu den späteren Hauptwerken Moritz Steinlas gezählt wird. (Anm. 4) Der Stecher mit dem Geburtsnamen Moritz Müller benannte sich nach seinem Geburtsort Steinlah bei Hildesheim. Er erhielt seine künstlerische Ausbildung als Kupferstecher zunächst bei seinem Onkel Justus Erich Walbaum, der für den Weimarer Verleger Friedrich Justin Bertuch tätig war und Steinla eine Anstellung bei diesem vermittelte. Steinla stach im Folgenden Illustrationen für das Journal des Luxus und der Moden, das hauptverantwortlich von Friedrichs Sohn Carl Bertuch herausgegeben wurde: Die Widmung auf dem vorliegenden Blatt steht vermutlich im Zusammenhang mit diesem Umstand. (Anm. 5) Ab 1810 setzte Steinla seine Ausbildung an der Dresdner Akademie und später bei Raphael Morghen in Florenz sowie bei Giuseppe Longhi in Mailand fort. Um 1838 kehrte er nach Dresden zurück und wurde dort Professor für Kupferstecherkunst. (Anm. 6) In jener Zeit entstand auch das vorliegende Blatt. Gedruckt wurde es bei Heinrich Felsing, der nach seiner Ausbildung zum Kupferdrucker bei Chardon in Paris eine eigene Druckerei von internationalem Ruf in Darmstadt führte. (Anm. 7) Die Qualität der Darstellung sowie die Ausführung durch namhafte Stecher und Drucker sorgten bereits zur Zeit der Entstehung für den Bekanntheitsgrad des Blattes.
Klara Wagner

LIT: Apell 1880, S. 407, Nr. 7 III

1 Zur genauen Herleitung der Datierung und der Diskussion verschiedener in der Forschung gemachter Vorschläge siehe Krems 2002, S. 79–84. Zur Provenienz siehe ebd., S. 52. Vgl. Meyer zur Capellen 2005, S. 116–118, Nr. 54.
2 Meyer zur Capellen 2005, S. 120–121, Nr. 54; Höper 2001, S. 310, Nr. D 30.1. Der Kupferstich Dentes ist in der Hamburger Kunsthalle vorhanden (Inv.-Nr. 832); vgl. Krems 2002, S. 316–317.
3 Meyer zur Capellen 2005, S. 118, Nr. 54. Etwas anders sieht es mit der künstlerischen Rezeption des Werkes aus: Zur Einbindung der Madonna del Pesce in den unmittelbaren künstlerischen Kontext der 1510er bis 1530er Jahre, Raffaels eingeführte Neuerungen und ihre Wirkung auf die Entwicklung des Sacra-Conversazione-Motivs auf Altarbildern siehe Krems 2002, S. 316–328.
4 Meyers Großes Konversations-Lexikon 18 (1909), S. 910–911.
5 Zu den Bertuchs und ihrer publizistischen Tätigkeit siehe Middell 2006, S. 107, S. 129. Bertuch, der mit seinem Vater das Landes-Industrie-Comptoir betrieb, war verantwortlich für die Herausgabe der 1813 von ihm in Journal für Luxus, Mode und Gegenstände der Kunst umbenannten Zeitschrift. Seine eigentliche Leidenschaft galt der Kunst und Kunstgeschichte; auf diesem Gebiet publizierte er in der genannten Zeitschrift selbst oder ließ veröffentlichen. Zur Zusammenarbeit bzw. Korrespondenz zwischen Steinla und Carl Bertuch, der den Künstler seinerseits durch seine Freundschaft mit Carl August Böttiger nach Dresden vermittelte, siehe Steiner/Kühn-Stillmark 2001, S. 82; hier werden sieben Briefe aus den Jahren 1810, 1811, 1812 und 1815 erwähnt.
6 Meyers Großes Konversations-Lexikon 18 (1909), S. 910–911.
7 Thieme-Becker 11 (1915), S. 378.

Details about this work

Kupferstich, Nadelschrift 512mm x 381mm (Bild) 611mm x 461mm (Platte) 692mm x 512mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 16476c Collection: KK Druckgraphik, Deutschland, 19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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