Johann Gottfried Abraham Frenzel, Radierer
nach Samuel Amsler, Zeichner
G. J. Göschen, Verleger

"RAPHAEL`S VILLA." / Casina Raffael, 1827 (Erstdruck 1822)

In: Förster, Karl: "Rafael. Kunst und Künstlerleben in Gedichten", Leipzig 1827, Taf. nach S. 142

Der Schriftsteller Karl August Förster, ein Freund Ludwig Tiecks, veröffentlichte 1827 eine 1823 begonnene Lebensbeschreibung Raffaels in 42 Gedichten, die von einer kunsttheoretischen Betrachtung beschlossen werden. Die in Försters Buch wiedergegebene Gartenvilla im Park der Villa Borghese machte über Jahrhunderte das von amourösen Abenteuern durchsetzt vorgestellte Leben Raffaels, wie man es sich besonders im 19. Jahrhundert – außer im Kreise der religiös motivierten nazarenischen Künstler, die in dieser Hinsicht sehr puristisch, um nicht prüde zusagen, ein gestellt waren und den Künstler als von sündhaften Gedanken freien Gott verehrten – vorstellte, besonders augenfällig. In diesem idyllisch in mitten der weitläufigen Parkanlage gelegenen Gebäude, in dem sich bis 1849 Freskendekorationen der Schülergeneration Raffaels befanden – diese sind in Försters Buch ebenfalls als Kupferstiche wiedergegeben (Anm. 1) –, die man selbstverständlich dem Meister selbst zuschrieb, meinte man das private Gartenhaus Raffaels zu erkennen. Hier, so glaubte man, hatte sich der Künstler außerhalb der Stadtmauern von seinem anstrengenden künstlerischen Schaffen in Gesellschaft seiner Geliebten, der Bäckerstochter Fornarina, erholt und entspannt. Die pittoreske Gartenvilla machte das sich im 19. Jahrhundert – außer bei den religiös motivierten nazarenischen Künstlern – als romantisch und amourös imaginierte Leben Raffaels besonders augenfällig. Es wurde immer wieder von Künstlern wie Camille Corot, Johann Wilhelm Schirmer, Georg Heinrich Busse oder auch in der weit verbreiteten Populärgraphik im Bild festgehalten. Das innige Beisammensein der Liebenden wurde an diesem Rückzugsort vielfach in Szene gesetzt, so beispielsweise von François-Éduard Picot (Inv.-Nr. kb-2020-489g-5) sowie von Ferdinand Oehme in seinem Gemälde Die Villa Raffaels in Rom von 1854.

Auf dem hier vorliegenden, erstmals von Johann Gottlob von Quandt 1822 in der Zeitschrift Die Muse (Anm. 2) abgedruckten Kupferstich von Johann Gottfried Abraham Frenzel, der eher eine nüchterne architektonische Aufnahme des Gebäudes mit dem Fernblick auf die Kuppel von St. Peter zur Rechten zeigt, findet man als Hinweis auf Raffael nur den jugendlichen Künstler, der links vorn auf einer Bank sitzt und versonnen in Richtung des Gartenhauses als Ort der künstlerischen Inspiration blickt. Die Fornarina ist hier bildlich nicht in Sicht, was Förster als Anhänger nazarenischer Ideen der er war, ausweist. (Anm. 3) Dennoch findet man durchaus ein Gedicht Försters, das Raffael auch als Liebling der römischen Frauenwelt beschreibt. (Anm. 4)

Das Gebäude der Casina di Raffaele, das immer wieder mit dem nahe gelegenen, ebenso pittoresken Pförtnerhaus (La Casa del Portinaio) im Park der Villa Borghese nahe der Porta Pinciana verwechselt wurde (Anm. 5), fiel 1849 den Kampfhandlungen und dem Bombardement bei der Einnahme Roms durch die italienischen Truppen des Freiheitskampfes um Giuseppe Garibaldi zum Opfer. Die ursprüngliche Lage innerhalb des Parks gibt sehr gut ein kleines Gemälde des englischen Künstlers John Newbott wieder.
Andreas Stolzenburg

Ausst.-Kat. Göttingen/Rom 2015, S. 178–179, Nr. 22 (Beitrag Michael Thimann)

1 Hamburger Kunsthalle, Bibliothek, Inv.-Nr. kb 2020-406g-1 bis 3 und 5 bis 9.
2 Johann Gottlob von Quandt hatte 1822 eine Beschreibung von Raffaels Gartenhaus veröffentlicht; Quandt 1822.
3 Sein Buch widmete Förster nicht Friedrich Overbeck, sondern Carl Christian Vogel von Vogelstein, Peter Cornelius, Wilhelm Schadow und dem Kunsthistoriker Ernst Förster.
4 Förster 1827, S. 50.
5 Zum Motiv des Pförtnerhauses siehe Ausst.-Kat. Rom 2003, S. 304, Nr. 79, Abb. S. 225.

Details zu diesem Werk

Radierung, Kupferstich 123mm x 193mm (Bild) 218mm x 278mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Bibliothek. Erworben 2020 vom Antiquariat Nosbüsch und Stucke GbR, Euskirchen mit Mitteln des Fördervereins "Die Meisterzeichnung. Freunde des Hamburger Kupferstichkabinetts e. V." Inv. Nr.: kb-2020-406g-4 Sammlung: KK Druckgraphik, Deutschland, 19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang

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