Ludwig Gottlieb Portmann, Stecher
nach Carl Heideloff, Zeichner
Joseph Engelmann, Heidelberg, Verleger

"Raphael" (Illustration zum Gedicht "Raphaels Tod"), 1818

In: "Cornelia. Taschenbuch für Deutsche Frauen auf das Jahr 1818[...]", hrsg. v. Aloys Schreiber, Dritter Jahrgang, Heidelberg [1818], Tafel nach S. 212

Der Schriftsteller und Herausgeber des Periodikums Cornelia. Taschenbuch für Deutsche Frauen, Aloys Schreiber, veröffentlichte im Jahrgang 1818 ein von ihm verfasstes Gedicht in achtzehn Strophen mit dem Titel Raphaels Tod. (Anm. 1)
Das Gedicht wird illustriert durch ein kleines Kupfer. Es zeigt Raffael vor seinem Gemälde der Madonna di Foligno in der Kirche S. Maria in Aracoeli in Rom, wo das Bild ursprünglich angebracht war, wie er zwei in die Kirche eingetretenen Frauen sein Werk erklärt. Zuvor hatte er im Zwiegespräch mit der Madonna bedauert, dass diese ihr wahres Gesicht ihm noch nicht enthüllt hat („Aller Ruhm, der mir erblühet, Ist, o Heilige, dein eigen, Denn du wolltest ja dein Bild mir zeigen“). Eine der eintretenden Frauen ist von solcher Schönheit, dass diese den Künstler tief beeindruckt („Plötzlich ist sein Herz getroffen, Und ihm deucht, er seh’ den Himmel offen“). Er kehrt ins Atelier zurück und will das Gesehene in Malerei umsetzen, doch, es mag ihm nicht gelingen, er kann die Schönheit der Natur nicht übertreffen („Sinnend kehrt er nach der Wohnung, Will Palett und Pinsel nehmen. Will ein neues Werk vollbringen, Doch ihm mag auch nicht ein Strich gelingen: Jenes holde, hehre Wesen, Steht vor ihm und scheint zu sagen: Was du hier im Traum gesehen, Wird dort freundlich dir entgegen gehen.“). Die Schönheit der Frau lockt ihn in Richtung des Jenseits, und er fühlt seine Kräfte schwinden („Jene Frau voll Huld und Hoheit Sieht der Jüngling von Urbino Wieder herrlich vor sich stehen, Wie er in der Kirche sie gesehen.“). Raffael stirbt: „Auf dem Mund ein Lächeln schweben, Doch entflohen ist des Meisters Leben.“
Schreiber nimmt Bezug auf Raffaels Affinität zur Madonna, wie sie in Wackenroders Herzensergießungen als Traumvision beschrieben und von den Brüdern Riepenhausen (aber in Verbindung mit der Sixtinischen Madonna) dargestellt wurde. Doch bei Wackenroder erscheint die Madonna ihm im Traum und wieder erwacht malt er beseelt das Gesehene. Bei Schreiber, der der romantischen Überhöhung des Künstlers in Kunst und Literatur eher kritisch und satirisch gegenüberstand – und keineswegs der allgemeinen Meinung Vorschub leisten wollte, dass Raffael die Natur übertraf, wie es das Grabepigramm postuliert – erlebt der Künstler den Anblick der höchsten Schönheit der Natur in Form einer lebendigen Frau im Wachzustand. Danach erst gerät er verzweifelnd in den Bereich des Traums und des Deliriums, was ihn schlussendlich das Leben kostet.
Andreas Stolzenburg

Reifenscheid 1991, S. 398–400, Nr. V,3; Ausst.-Kat.
Göttingen/Rom 2015, S. 168–169, Nr. 17 (Beitrag Elke Vogel)

1 Vollständig abgedruckt in Ausst.-Kat. Göttingen/Rom 2015, S. 169.

Details zu diesem Werk

Kupferstich 97mm x 78mm (Bild) 120mm x 90mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett. Erworben 2020 von antiqffm Versandantiquariat Dr. Reinhard Hauke, Grünau, mit Mitteln des Fördervereins "Die Meisterzeichnung. Freunde des Hamburger Kupferstichkabinetts e.V." Inv. Nr.: kb-2020-169g-7 Sammlung: KK Druckgraphik, Deutschland, 19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang

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