Adolphe François Pannemaker, Holzsstecher
oder Polydor Pauquet, (?), Zeichner
Hyppolite Louis Emile Pauquet, (?), Zeichner
nach Horace Vernet, Lithograph, Erfinder
Typographie de J. Best, Paris, Drucker

Die Öffnung von Raffaels Grab im Pantheon in Rom im September 1833, 1864

In: "LE MAGASIN PITTORESQUE", 32. Jg., Paris 1864, S.193, Tafel 25

Carlo Falconieri, der erste Biograph des Malers und Präsidenten der römischen Accademia di San Luca, Vincenzo Camuccini, war bei der feierlichen Öffnung des Grabes Raffaels am 14. September 1833, zu der er eine eigene Schrift verfasste (Anm. 1), zugegen und wurde so Zeuge der Auseinandersetzung zwischen Camuccini und dem ebenfalls anwesenden französischen Maler Horace Vernet, dem damaligen Direktor der Académie de France in Rom in der Villa Medici. Falconieri berichtet in seiner Biographie Camuccinis von einer kleinen, aber bizarren Anekdote („[…] breve aneddoto, bizarro alquanto, […].“). Camuccini war von der Congregazione dei Virtuosi al Pantheon offiziell beauftragt worden, Zeichnungen von der Öffnung des Grabes anzufertigen, die dann als Lithographien von Borani vervielfältigt wurden (Inv.-Nr. 2020-11 und 2020-12). Horace Vernet hatte als einer der wenigen zu der Zeremonie zugelassenen Ausländer heimlich trotz der Ermahnung durch die Schweizer Garde ebenfalls eine Zeichnung (und nach dieser ein heute verschollenes Gemälde (Anm. 2) angefertigt. Seine Zeichnung vervielfältigte er eigenhändig als Lithographie. (Anm. 3) Doch als er beim päpstlichen Kämmerer („Camerlengo“) nachträglich darum um Erlaubnis bat, untersagte ihm dieser die Veröffentlichung und die Verteilung der gedruckten Blätter, ohne dass – laut Falconieri – Camuccini etwas von diesem Vorgang wusste. Vernet, der für sein aufbrausendes Temperament („furia francese“) bekannt war, zerriss daraufhin alle bereits gedruckten Blätter – mehrere hundert sollen es gewesen sein – und schickte die traurigen Überreste zusammen mit dem Lithographiestein an Camuccini. Dieser war zunächst ebenso wütend über das Gebaren des eigentlich geschätzten Künstlerkollegen, doch er überlegte sich angeblich in Ruhe die Situation – ungeachtet dessen, dass er selbstverständlich seine offiziellen Zeichnungen von Raffaels Skelett als qualitativ höherwertig ansah – und sah ein, dass es gegenüber dem Franzosen wohl ungerecht gewesen sei, ihm die Veröffentlichung zu verbieten. Er soll am Ende alle Drucke wieder in schönster Weise zusammengefügt („una per una incollare perfettamente quelle stampe“) und sie mit einem liebenswürdigen und sich für den Camerlengo entschuldigenden Brief an Vernet zurückgesandt haben.
Vernets Lithographie ist heute dennoch von größter Seltenheit – der Künstler soll nach dem entstandenen Eklat nur wenige Exemplare an Freunde verschenkt haben4 – vielleicht waren die Drucke aber auch doch nicht alle so perfekt zusammengesetzt worden und der Stein möglicherweise nicht mehr für weitere Drucke nutzbar. Im Magasin Pittoresque erschien 1864 der vorliegende populäre, im Format verkleinerte Holzstich von Adolphe François Pannemaker nach der Zeichnung von einem der beiden Holzschneider Pauquet, die nach einem damals greifbaren Exemplar von Vernets Lithographie angefertigt worden war.
Das in einer feierlichen Zeremonie geöffnete Grab Raffaels mit den vorgefundenen Spolien wird von Vernet nicht so detailliert wie von Camuccini wiedergegeben. Er gruppiert in Schrägsicht rechts vor dem Grab, über dem sich vom Bildrand kompositionell gewagt abgeschnitten die mächtige Madonnenstatue erhebt, als Rückenfigur den dänischen Bildhauer Bertel Thorvaldsen, der dem ergriffen wirkenden Kardinal Placido Zurla und zwei weiteren Anwesenden (einer von ihnen ist Vernet!), vor denen noch eine päpstliche Wache postiert ist, die aufgefundenen Überreste präsentiert und erklärt. Vernets Darstellung ist also dem Historengemälde Francesco Diofebis in seiner anekdotischen Erzählweise viel näher, als den sachlichen, sich gleich einem Archäologen auf die Überreste Raffaels konzentrierenden, von Borani lithographierten Bildzeugnissen Camuccinis.
Andreas Stolzenburg

Béraldi 1892, S. 200, Nr. 224; Ausst.-Kat. Rom 1980, S. 85, Nr. 56
(Lithographie Vernets); Ausst.-Kat. Göttingen/Rom 2015, S. 192–193, Nr. 27 (Lithographie Vernets mit Erwähnung des Holzstichs im Magasin Pittoresque; Beitrag Michael Thimann

1 Falconieri 1833.
2 Eine Ölstudie zu dem Gemälde befindet sich in Marseille, Musée Grobet-Labadié; Genovese 2015, S. 106, Abb.
3 Die Öffnung von Raffaels Grab im Pantheon im September 1833, 1833, Lithographie, 246 x 205 mm (Bild), 457 x 312 mm (Blatt), unten links in der Darstellung signiert und datiert: „H. Vernet Rome 1833“, unterhalb der Darstellung bezeichnet: „Sepolcro di Raffaello di Urbino / Scoperto il 14. Settembre 1833 / al Pantheon“; darunter bezeichnet: „Lithografia delle Belle Arti di G. Ceccarini Roma Via del Clementino n.o 91 A.“, New York, The Metropolitan Museum of Art, Inv.-Nr. 1994.103, Gift of Mary L. Myers, 1994; Ausst.-Kat. Göttingen/Rom 2015, S. 192–193, Nr. 27 (Exemplar in Privatbesitz).
4 So jedenfalls Johann David Passavant; Passavant 1839a, S. 566. Ein Exemplar aus dem Besitz von Bertel Thorvaldsen im Thorvaldsens Museum in Kopenhagen,
Inv.-Nr. E1322 und eines in Privatbesitz (Ausst.-Kat. Göttingen/Rom 2015,S. 192–193, Nr. 27).

Details zu diesem Werk

Holzstich 179mm x 150mm (Bild) 304mm x 194mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Bibliothek Inv. Nr.: kb-1976-1211k-25 Sammlung: KK Druckgraphik, Hamburg, 19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang

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