Maurizio Bona, Drucker
Elisabetta Catanea Parasole, Zeichnerin, Erfinderin

Titelblatt, 1620 (?)

"TEATRO DELLE NOBILI ET VIRTVOSE DONNE [...]", Rom 1636

Italien, insbesondere Venedig, gilt als die Heimat der Spitze. Durch Einflüsse aus dem Orient hatte sich bereits im 15. Jahrhundert sowohl die Näh- als auch die Klöppelspitze entwickelt. Im 16. Jahrhunderts war das Land führend in der Herstellung von Spitzen aus Leinen, Seide oder Metall. Die Muster reichten von der geometrisch strengen der Reticella-Spitze bis hin zur freien Gestaltung im „Luftstich“, der mit Hilfe von Umrissen und Vorlagen auf Pergament angefertigt wurde. Die Motive bestanden aus Blumen, Ranken, Blättern, Tieren oder Menschen. Die italienische Spitze lebte von der Linienführung, von ihrem zeichnerischen Wesen, zu dem die Übersichtlichkeit der Muster beitrug. (Anm. 1)
Elisabetta Catanea Parasole (1575-1625) hatte die Herstellung der Spitze im Conservatio di S. Caterina della Rosa in Rom kennengelernt, in dem sie als uneheliche Tochter des Barons Cattaneo aus Bergamo aufwuchs. 1593 heiratete sie den Witwer Rosato Parasole, der aus einer Künstlerfamilie stammte. Ihr Schwager Leonardo (um 1570-um 1630) und dessen Frau Girolama brachten ihr wahrscheinlich das Drucken bei. (Anm. 2) 1610 veröffentlichte Elisabetta Catanea Parasole ein erstes Spitzenmusterbuch, das unter dem Titel „„Fiori d’ogni virtu“ bei Antonio Facchetti in Rom gedruckt wurde, und von dem heute keine Exemplar mehr vorhanden ist. 1616 erschien bei Mauritio Bona eine neue Ausgabe unter dem Titel „Teatro delle nobili et virtuose donne“ mit einem Titelblatt und Vorwort sowie 50 Holzschnitten mit Spitzenmustern.
Das Besondere an Parasoles Buch im kleinen, handlichen Format ist die Art der Darstellung. Sie zeigt die Spitzen in weiß auf schwarzem Hintergrund, wodurch sie sich von ihren Vorbildern Federico di Vinciolo (1592-1599 tätig) und Cesare Vecellio (1521-1601) unterschied (Anm. 3). Vollkommen neu war zudem die pragmatische Präsentation von mehreren Arten von Näh- und Klöppelspitze für Haustextilien und Polster in einem Band. Dass Elisabetta Catanea Parasole etwas von ihrem Handwerk verstand, zeigt auch die Aufführung der benötigten Anzahl der Klöppel in den Holzschnitten für Klöppelspitze.
Ihr Buch war derart beliebt, dass es von Mauritio Bona immer wieder nachgedruckt wurde. Das Exemplar in der Bibliothek der Hamburger Kunsthalle stammt aus dem Jahr 1636. Das Titelblatt mit einem Kupferstich, den Giovanni Baglione in seinen Künstlerviten (Anm. 4) Francesco Villamena (1566-1624) zugeschrieb, ist wesentlich prächtiger als das anderer Spitzenmusterbücher. Vier Putti halten die große Tafel, die in der Bildmitte den Titel trägt. Die oberen Ecken sind mit Köpfen, Früchten und Architekturelementen reich ausgeschmückt. Über dem Titelrahmen halten zwei Posaunenengel ein großes Wappen. Ursprünglich wurde hier das spanische Wappen gezeigt. In der Hamburger Ausgabe wurde dieses durch die Wappen der Medici und della Rovere ersetzt. Beide Wappen finden sich ebenso in den unteren Ecken wieder. Auch Im Titelfeld wurde unter den Namen der Autorin „Mauritio Bona in Piazza Navona“ als Verleger ergänzt. Unter dem Titel befindet sich ein weiteres Medaillon, das in der ersten Ausgabe ein Portrait - wahrscheinlich der spanischen Königin – zeigte. Dieses wurde schon 1620 durch einen Ritterhelm ausgetauscht, um den die Schrift „Nisi canant qui fortia quid isti gerant“ zu lesen ist. Das Titelblatt deutet bereits auf eine veränderte Widmung hin. Der Text auf dem zweiten Blatt zeigt gleich im ersten Satz an, dass es sich um einen Nachdruck des berühmten Buches „der in ganz Europa bekannten Elisabetta Catanea Parasole Romana“ handelt. Mauritio Bona widmete die Ausgabe der vierzehnjährigen Herzogin der Toskana, Vittoria della Rovere (1622-1694), die zwei Jahre zuvor Ferdinand II. de‘ Medici (1610-1670) geheiratet hatte. Es ist anzunehmen, dass Bona sich durch die Widmung einen guten Absatz bei den reichen Florentinerinnen versprach.
Im 17. Jahrhundert bekam die bis dahin führende Herstellung von Spitzen in Italien starke Konkurrenz aus Frankreich und vor allem aus Flandern. Dies führte unweigerlich zu einem Rückgang der Produktion. Elisabetta Catanea Parasoles Spitzenmusterbuch ist das letzte bedeutende italienische seiner Art. Das Exemplar der Bibliothek der Hamburger Kunsthalle gehört zum ersten Bestand des 1869 gegründeten Museums und geht wahrscheinlich auf den Nachlass des Hamburger Kunsthändlers und –sammlers Georg Ernst Harzen (1790-1863) zurück.

Andrea Joosten

1 Ihre vielfältige Technik ist nicht komplett überliefert worden, weshalb die Benennung der einzelnen Blätter in Parasoles Musterbuch nicht immer eindeutig möglich war. Hinzu kommt, dass die Vorlagen in verschiedenen Techniken umgesetzt werden können. Für die Hilfe bei der Bestimmung der einzelnen Muster sei Ada Hinkel, Hamburg und Thessy Schoenholzer Nichols, Florenz ganz herzlich gedankt.
2 Mario Pupillo, Gli incisori di Baronio, In: Baronio e le sue fonti: atti del Convegno internazionle di studi, Sora, 10-13 ottobre 2007. Sora 2009, S. 839-849
3 Cesare Vecellio, Corona delle nobili et virtuose donne, Venetia 1591; Cesare Vecellio, Degli habiti antichi et moderni di diverse parti del mondo, Venetia 1590; Federico di Vinciolo, Les singuliers et nouveaux pourtraicts, Paris 1587
4 Giovanni Baglione, Le vite de‘ pittori scultori et architetti: Dal Pontificato di Gregorio XIII dell 1572, Roma 1642, S. 394-395

Ein großer Dank geht an Thessy Schoenholzer Nichols, Florenz und Ada Hinkel, Hamburg für die Hilfe bei der Bestimmung der einzelnen Muster.

Details zu diesem Werk

Holzschnitt 147mm x 219mm (Bild) 183mm x 257mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Bibliothek Inv. Nr.: kb-1915-523-1 Sammlung: KK Druckgraphik, Italien, 15.-19. Jh. , CC-BY-NC-SA 4.0

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