Johann Leonhard Raab, Radierer
nach Raffael, eigentlich Raffaello Santi oder Sanzio, Maler, Erfinder
Friedrich Felsing, München, Drucker
Peter Kaeser, Verleger

"MADONNA DELLA TENDA", 1881

In: "Die K. Bayer. Gemälde-Galerie Pinakothek München", München 1881, Tafel 6

Raffaels Gemälde Madonna della Tenda entstand während des Romaufenthaltes des Künstlers um 1513/14 und zeigt Maria als Halbfigur mit dem Christuskind und dem Johannesknaben. Die Gruppe wird von einem grünen Vorhang hinterfangen, der lediglich in der oberen rechten Ecke den Blick auf das Himmelsblau freigibt. Das Gemälde gehört der Schaffensphase Raffaels an, in welcher der Maler seinen Figuren eine gesteigerte Monumentalität verleiht und sich entschieden von Michelangelo Buonarotti inspiriert zeigt.(Anm. 1) 1819 wurde Raffaels Werk durch Kronprinz Ludwig von dem englischen Bankier Thomas Baring erworben.(Anm. 2) Vor Johann Leonhard Raab wurde es unter anderem durch Ferdinand Piloty (1786-1844) und Paolo Toshi (1788-1854) reproduziert.(Anm. 3)
Raabs Zeitgenossen empfanden die Radierung nach der Madonna della Tenda als besonders gelungen. Man schätzte an der Reproduktion unter anderem die „Feinheit der Zeichnung“ und die „ungesuchte Eleganz“ der Ausführung.(Anm. 4) Mit feinen Strichlagen und einer differenzierten Ätzung der Linien folgt Raab den zarten Tonnuancen des Originals. Dabei steigert er aber den Dunkelwert des Vorhanges, des unteren Gewandes und der Figur des Johannesknaben, womit er das helle Inkarnat der Gottesmutter und ihres Sohnes betont.
Der Radierer wurde insbesondere für seine Fähigkeit bewundert, seine eigene Handschrift den Stilen und Maltechniken der sehr verschiedenartigen Vorbilder anzupassen.(Anm. 5) So lässt sich durch einen Vergleich des Blattes mit anderen Radierungen des Künstlers beobachten, dass dieser ein Gemälde Rembrandts (Inv.-Nr. kb-1905-103-17 (Ill. XIX. Raab 1881-gr. 2) deutlich gestischer und in den Kontrasten kräftiger wiedergibt als die Werke Raffaels oder altdeutscher Meister (Inv.-Nr. kb-1905-103-29 (Ill. XIX. Raab 1881-gr. 2).(Anm. 6)

Jakob Luckschewitz




1 Vgl. Oberhuber, Konrad: Raffael. Das malerische Werk, München/London/New York 1999, S. 143.
2 Vgl. Alte Pinakothek. Italienische Malerei, Best.-Kat. Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München, hrsg. v. Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München, Ostfildern 2007, S. 196 und Meyer zur Capellen, Jürgen: Raphael. A Critical Catalogue of His Paintings, Bd. 2, The Roman Religious Paintings ca. 1508-1520, übers. v. Stefan B. Polter, Landshut 2005, S. 24 und 134-136.
3 Siehe hierzu Raffael und die Folgen. Das Kunstwerk in Zeitaltern seiner graphischen Reproduzierbarkeit, Kat. Graphische Sammlung der Staatsgalerie Stuttgart, hrsg. v. Corinna Höper, Ostfildern-Ruit 2001, S. 319.
4 Recensionen (Die Königliche Gemälde-Galerie (Pinakothek) in München), in: Die graphischen Künste 4 (1882), S. 51-52.
5 Vgl. Aus der Bücherei (Die K. Bayer. Gemälde-Galerie Pinakothek München), in: Kunstwart 2/3 (1888-1889), S. 45.
6 Mit diesem Phänomen befasst sich der Verfasser ausführlicher in seiner Dissertation Radierung und Reproduktionsgrafik in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die Diskussion über druckgrafische Techniken im deutschen Sprachraum.

Details zu diesem Werk

Radierung, Chine-collé 200mm x 150mm (Bild) 385mm x 285mm (Blatt) 395mm x 293mm (Platte) 666mm x 507mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Bibliothek Inv. Nr.: kb-1905-103-6 Sammlung: KK Druckgraphik, Deutschland, 19. Jh.

Wir sind bestrebt, die Art und Weise zu hinterfragen, wie wir über Kunst und unsere Sammlung sprechen und diese präsentieren. Daher freuen wir uns über Ihre Anregungen und Hinweise.

Feedback