Marina Abramović

A Performance Anthology I (1975-1980). 1. Teil: Four Performances by Abramović, 1975-1976

Die auf Video aufgezeichneten Performances von Marina Abramović (*1946) zeigen Ausschnitte ihrer Aktionen von 1975 bis 1980, die sie teilweise mit ihrem Partner Ulay (*1943) durchführte. In ihnen setzt die Künstlerin sich und oftmals auch das Publikum physischen und psychischen Grenzsituationen aus. Über ihren Körpereinsatz konstruiert sie ein komplexes Bild von Körper, Identität und Interaktion, das oft von einer hohen Intensität gekennzeichnet ist. In »Freeing the Body« (1976) beispielsweise tanzt Abramović über sechs Stunden rhythmisch mit nur einem schwarzen Schal über Gesicht und Kopf vor einer weißen Galeriewand zu Trommelschlägen, bis sie vor Erschöpfung zusammenbricht. Die Aktion steht in einer Reihe von Arbeiten, die den Körper als künstlerisches Material und Projektionsfläche nutzt und die Performance Art entscheidend prägte. (Luisa Fink)

1. Teil: Four Performances by Abramovic, 1975-1976
Produktion Monte Video/TBA, NL

1. Art must be beautiful, Artist must be beautiful, Kopenhagen, 1975, 14:55 Min
Marina Abramović kämmt sich abwechselnd mit Kamm und Bürste die Haare und wiederholt den selben Satz »Art must be beautiful, Artist must be beautiful«. Ihre Handhabung ist mal gewaltsam gegen des Strich, mal behutsam. Die Performance dauerte 45 Minuten.

In nicht enden wollender Kontinuität fährt sich Marina Abramović in ihrer Performance mit Metallbürste und Metallkamm durch die Haare. Während dieser Handlung, deren Autoagression sich sukzessive steigert, wiederholt sie die Sätze »Art must be beautiful« und »The artist must be beautiful«. Je mehr sie aber diesen Idealen entgegenzukommen sucht, umso mehr wird die Aussichtslosigkeit ihrer Bemühungen evident: Die Haare geraten zunehmend aus der Form und ihr schmerzverzerrtes Gesicht lässt die sich selbst zugefügte Pein erkennen. Vor dieses Paradox gestellt, drängt sich dem Betrachter die Frage auf, inwieweit Schönheit ein notwendiges oder umgekehrt störendes Element im ‚Betriebssystem‘ Kunst darstellt: Wird man als Künstlerin ernst genommen, wenn man Schönheitsidealen entspricht, die Frauen außerhalb des künstlerischen Kontextes abverlangt werden? Und ist Schönheit ein taugliches Kriterium für die Bewertung guter Kunst? Abramović löst den Widerspruch zwischen verbalisiertem Anspruch und vorgeführter Handlung im Laufe der Performance nicht auf, sondern pointiert den Konflikt, indem sie die Erwartungshaltung fortlaufend und so lange ausspricht, »bis ich«, wie sie selbst betont, »mein Haar und Gesicht zerstört habe«.

2. Freeing the Voice, Belgrad, 1976, 13:30 Min.
Körperliche Befreiungsaktionen für Stimme – Gedächtnis – Körper an drei unterschiedlichen Orten.
Abramović liegt rücklings auf dem Boden und läßt ihre Stimme ertönen. Anfangs sehr tief, wird die Stimme im Laufe der Performance höher und höher bis zur Lautlosigkeit. Mitunter erklingt ein Lamento oder brüchige Laute. Die Performance im Kulturni Centar, Belgrad, dauerte 60 Minuten.

3. Freeing the Memory, Tübingen, 1976, 15 Min.
In der Galerie Dacic in Tübingen (November 1976) spricht Abramović 50 Minuten lang auf Serbisch alles unmittelbar aus, was ihr in den Sinn kommt, bis ihr nichts mehr einfällt. Sie orientiert sich an Wortfeldern, die über Körperteile, Krankheiten, Gegenstände, Metalle usw. bis zur endgültigen »Leere« führen.

4. Freeing the Body, Berlin, 1976, 8:40 Min.
Abramović tanzt nackt, nur mit einer Kopfmaske versehen, zu Trommelschlägen ungefähr sechs Stunden auf der Stelle, bis sie vor Erschöpfung umfällt. Die Aufführung fand in der Galerie Mike Steiner in Berlin statt.

Dirck Möllmann

Details zu diesem Werk

S/W, Ton, VHS, PAL, 60 Min. | b&w, sound, VHS, PAL, 60 min. Hamburger Kunsthalle, erworben 1998 Inv. Nr.: V-1998-33 Sammlung: © VG Bild-Kunst 2019

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