Heinrich Steinhagen

Schmerz, 1918

Eine nackte männliche Gestalt neigt sich mit fast geschlossenen Augen und schmerzverzerrtem Gesicht nach links und legt den Kopf auf die Schulter. Sie hat ein markantes Profil mit mandelförmigen Augen, einer breiten Nase und vollen Lippen. Mimik und Gebärde sind ausdrucksstark, um ein inneres Erleben sichtbar zu machen. Heinrich Steinhagen arbeitete als Künstler autodidaktisch, war aber gut informiert über vergangene und aktuelle Kunstströmungen. Die glatte Oberfläche der blauen Terrakotta-Büste betont die Nacktheit des Körpers und lässt sie wie eine Keramik oder Majolika erscheinen. Das Gestalten mit Farbe prägt diese expressionistische Plastik: Das Motiv des Schmerzes ist durch das Blau intensiviert, das seit der Romantik mit Gefühlen wie Schwermut und Melancholie assoziiert wird. Blau versinnbildlicht Spiritualität und Geistigkeit, so formulierten es auch Wassily Kandinsky und Franz Marc 1912 in dem von ihnen herausgegebenen Almanach »Der Blaue Reiter«.

Steinhagen zeigt einen Mann, der erschöpft sein Haupt senkt. Er formte ein Menschenbild, das aus sich selbst heraus Kraft gewinnt und im Geist den körperlichen Schmerz und somit das Leibliche überwindet. Als Pastorensohn war Steinhagen von der christlichen Lehre geprägt. 1918 aus dem Krieg zurückgekehrt, war er bis 1923 Mitglied der KPD und vertrat eine religiös gefärbte, kommunistische Weltanschauung, mit der er in seiner Zeit provozierte.

Josephine Karg

Details zu diesem Werk

Terrakotta, blau glasiert Hamburger Kunsthalle, erworben 2003 mit Mitteln der Campe'schen Historischen Kunststiftung Inv. Nr.: S-2003-1 Sammlung: Klassische Moderne © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang

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