Wilhelm Lehmbruck
Kleiner Weiblicher Torso, 1910 - 1911
Als Lehmbruck 1910 im Alter von 29 Jahren nach Paris kam, schuf er seine ersten weiblichen Torsi und nahm damit ein Thema auf, das Auguste Rodin in die moderne Bildhauerei eingeführt hatte. Die seitliche Wendung des kleinen Kopfes und die geschlossenen Augen verleihen dem auch als Hagener Torso bekannten Werk eine Aura beseelter Verinnerlichung. Klassisch ausgewogene Proportionen, geometrisch vereinfachte Formen und klare Umrisslinien betonen den inneren Resonanzraum der Figur und verweisen auf deren Gefühlstiefe. Eine entscheidende Neuerung verdankte Lehmbruck dem Material des Kunststeins, das er 1910 erstmals verwandte. Die Experimente mit der Technik des Steingusses erlaubten es dem auch als Maler tätigen Künstler, seine Plastiken durchzufärben. Für diese Version von Kleiner weiblicher Torso versah er das Zementgemisch mit einer graugrünen Pigmentierung. Durch die gewählte Körnung der Gussmasse ließ er zudem eine Oberfläche entstehen, die das reflektierte Licht sanft zerstreut und den Ausdruck von Empfindsamkeit verstärkt.
Daniel Koep