Paul William Henle
Frauenkopf, 1922
Wie in einer Pose des Tanzens oder Träumens versunken, neigt eine junge Frau ihren Kopf sanft zur Seite. Die Gesichtszüge sind gleichmäßig, bis auf eine leicht hervorspringende Nase entsprechen sie den idealisierten Formen der klassizistischen oder Renaissanceplastik. Paul Henles ausgewogene Porträtbüsten weisen eine geschlossene Körperlichkeit auf. Neben Aristide Maillol war eines seiner künstlerischen Vorbilder der neoklassizistische Bildhauer Adolf von Hildebrand, der klare Formen, eine architektonische Gliederung und Monumentalität in der Skulptur favorisierte. Er bildete damit einen Gegenpol zu Auguste Rodin und dessen raumgreifenden, gefühlsbetonten Werken.
Henle war als Bildhauer und Maler nur kurzzeitig Mitglied der Hamburgischen Sezession. Bei Arthur Siebelist und Walter Voltmer hatte er Unterricht in Landschaftsmalerei und Aktzeichnen erhalten; parallel dazu wurde er bei Max Kruse und Arthur Lewin-Funcke in Berlin zum Bildhauer ausgebildet. Nach Studien in München und Italien seit 1908 ließ sich Henle 1913 in Hamburg nieder. Er fertigte Büsten für das Deutsche Schauspielhaus und Grabmäler für den Ohlsdorfer Friedhof. Henle war Jude und emigrierte 1939 mit seiner Frau, der Weberin und Designerin Margarete Brix-Henle, nach England. In London stellte er seine bildhauerische Tätigkeit ein, beteiligte sich an der profitableren Webarbeit seiner Frau und arbeitete als Restaurator am Courtauld Institute of Art.
Josephine Karg