Maison Ad. Braun et Cie à Paris & Dornach, Fotograf, Drucker, Verleger
nach Raffael, eigentlich Raffaello Santi oder Sanzio, Maler, Erfinder

Selbstbildnis Raffaels mit einem Freund / "PORTRAITS D'HOMMES", 1892

Das um 1518–1520 zu datierende Selbstbildnis mit einem Freund, welches die vorliegende Fotografie abbildet, gibt der Forschung bis heute Fragen auf. Über seine Entstehungsgeschichte existieren keine bekannten Quellen. Bei Vasari ist das Gemälde nicht zu finden, erste Beschreibungen erwähnen es um 1610 und 1625 in Fontainebleau. (Anm. 1) Reproduktionsgraphiken, welche das Gesamtbild wiedergeben, sind ebenfalls erst aus dem 18. Jahrhundert bekannt. (Anm. 2) Jedoch scheinen sich einige der frühen graphischen Bildnisse Raffaels explizit auf die Darstellung der hinteren Figur im Gemälde zu beziehen – vergleicht man diese etwa mit Giulio Bonasones Bildnis Raffaels (Inv-Nr. 592) aus den 1540er Jahren, fallen von der Kleidung, der Haartracht bis hin zur Mimik deutliche Parallelen ins Auge, ebenso wie im Vergleich mit Wenzel Hollars Bildnis Raffaels (Inv-Nr. 13401). Darüber, dass es sich bei jener hinteren Figur um Raffael handele, scheint also bereits früh Einigkeit geherrscht zu haben. Anders sieht dagegen die Lage im Falle der vorderen Person aus. Den Blick nach hinten gewandt, streckt diese den rechten Arm nach vorne zu den Betrachtenden aus, während die linke Hand den Griff eines Degens umfasst. Diesem Detail verdankt das Gemälde seine Bezeichnung als Selbstbildnis Raffaels mit seinem Fechtmeister, unter dem es lange bekannt war. Bis ins 20. Jahrhundert hinein gab es Identifikationsvorschläge, beispielsweise Giovanni Battista Branconio dell‘Aquila oder Pietro Aretino. Jüngere Ansätze weichen teils gänzlich von einer konkreten Benennung des Dargestellten ab und sehen in dem Gemälde ein allegorisches Konzept, wie beispielsweise eine gemalte Theorie der Malerei, verwirklicht. (Anm. 3) Die linke Hand des Urbinaten, welche auf der Schulter des Begleiters ruht, erzeugt den Eindruck von Nähe zwischen den Portraitierten, weshalb das Bild heute meistens als Selbstbildnis Raffaels mit einem Freund bezeichnet wird. Auffällig ist das Einbeziehen der Betrachtenden durch den über den Bildraum hinausgehenden Blick Raffaels sowie durch die nach vorn ausgestreckte und scheinbar auf die Betrachtenden weisende Hand der vorderen Person. Die dadurch entstehende Dynamik und das hohe Maß an Plastizität wird beispielsweise in einem Kupferstich von Nicolas de Larmessin IV nach dem Gemälde von 1729 aufgegriffen (Anm. 4): Dieser erweitert den Bildraum um eine Säule im Hintergrund sowie um ein Parapetto, hinter dem die Dargestellten stehen und auf das der ausgestreckte Arm einen Schatten wirft. Diese Komposition, an welche nicht zuletzt auch Wenzel Hollars erwähnte Darstellung erinnert, hat in der Forschung zu der Überlegung geführt, ob das Gemälde möglicherweise beschnitten wurde.
Nachdem die Nachfrage nach fotografischen Reproduktionen von Gemälden im ausgehenden 19. Jahrhundert einen Wettstreit um die Vergabe von Lizenzen seitens der großen Museen ausgelöst hatte, erhielt die Firma Braun, Clément & Cie im Jahr 1883 das Exklusivrecht auf 30 Jahre für die fotografische Reproduktion und den Vertrieb von Aufnahmen von Gemälden des Louvre. (Anm. 5) Das Selbstbildnis Raffaels mit einem Freund, welches sei 1793 im Louvre gezeigt wird, konnte folglich vor Ort fotografiert werden. Der vorliegende Pigmentdruck (Kohledruck) zeugt von der hohen Qualität der von Braun, Clément & Cie vertriebenen Produkte. Seit den späten 1880erJahren erwarb die Hamburger Kunsthalle immer wieder Konvolute aus dem Sortiment der Firma – vor allem auf Bestreben des Direktors Alfred Lichtwark, der die Pigmentdrucke zu didaktischen Vermittlungszwecken einsetzte. (Anm. 6)
Klara Wagner

LIT: Vgl. Braun 1913, S. 220, Nr. 24513

1 1518/20, Öl auf Leinwand, 99 x 83 cm, Paris, Musée du Louvre; Meyer zur Capellen 2008, S. 136–143, Nr. 77.
2 Ebd., S. 136 und die Übersicht auf S. 142; vgl. außerdem den kurzen Einführungstext bei Höper 2001, S. 234, Nr. B 10.
3 Die Benennung als Selbstbildnis mit Fechtmeister führte erstmals Nicolas Bernard Lépicié in seinem Katalog der Königlichen Französischen Sammlung 1752–1754 ein. Für eine zusammenfassende Diskussion der Deutungsansätze bis in die 2000er Jahre vgl. Meyer zur Capellen 2008, S. 139–142, Nr. 77.
4 Höper 2001, S. 234–235, Nr. B. 10.2.
5 Ausst.-Kat. Hamburg 2019a, S. 68, Nr. 20.
6 Ebd., S. 80, Nr. 26

Details zu diesem Werk

Pigmentdruck (Kohledruck) 438mm x 359mm (Bild) 550mm x 438mm (Blatt) 698mm x 538mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: R-00042 Sammlung: KK Fotografie © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang

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