Horst Janssen, Radierer
Hartmut Frielinghaus, Drucker

"Froschschenkel", 03.09.1972 (radiert)

Für: "Froschland", 42 Radierungen und eine Titelblattzeichnung, Hamburg 1973, Blatt 34

Diese Radierung ist Teil der Suite "Froschland", eine Zusammenstellung von 42 Radierungen und einer Titelblattzeichnung aus den Jahren 1970 bis 1973.
Die Folge "Froschland" entstand in freiem Zusammenhang mit der Kurzgeschichte "Vier Tage" von Wsewolod Michailowitsch Garschin von 1877. Sie erzählt aus biographischer Sicht das Leid und die Ernüchterung eines verwundeten und zurückgelassenen Soldaten auf dem Schlachtfeld, der sich bewegungs- und reglos daliegend mit der ihn umgebenden Landschaft assimiliert und erst nach vier Tagen gerettet wird (vgl. Schack 1975, S. 71-85).
Horst Janssen verband diese Novelle mit einem eigenen Erlebnis vom 1. September 1972, bei dem er mit einem Auto unfreiwillig einen Frosch überfuhr. Die Metamorphose vom lebendigen zum verstorbenen Körper sowie die fortschreitende und vollständige Auflösung dessen faszinierten Janssen besonders. Hierzu notierte er seine Erinnerungen und Gedanken zu dem einschneidenden Erlebnis auf seiner Zeichnung "1 Unfall": "Am 1.9.72 ūberfūhr ich [...] einen Frosch dieser je nach Temperament betrūbliche oder graūenhafte Vorfall traf mich tief und ūber alle Massen [...]: dieser ins Froschschicksal verdammte Prinz war tot; die Seele hatte ihn in der Gegend seiner Lenden verlassen [...]. Schūld mūss zeichnen - allemal wenn bei einer Gelegenheit wie dieser auch alle anderen Handlungen sinnlos wāren ⊙ Ich lōste die leere Hūlle vom Strassenpflaster, bahrte sie auf ein Rhabarberblatt und fūhr sie nach Haūs, wo ich den Fall so ein dūtzendmal konterfeite; Anfangs respektvoll, einem Polizeibericht gleich, den Tatbestand aūfzeichnend, dann der menschlichen Natūr gemāss immer weniger traūrig, dann ūnbefangen bis willkūrlich ūnd schliesslich mit Lūstvergnūgen. So wūrde mein Frosch zū dem, was er mal war: Teil ein[sic] Landschaft Wie Sie" (transkribiert nach Inv.-Nr.: JS-3448).
Hartmut Frielinghaus nennt in seinem Werkverzeichnis eine Auflage von 20 nummerierten Exemplaren sowie 6 Probedrucke. Die Angabe zur Reihenfolge des Blattes richtet sich nach den Angaben von Ewald Gäßler. Es ist nicht klar, ob das Blatt ein Sonderdruck außerhalb der Auflage oder ein Probedruck ist.

Literatur:
Landschaft 1974
Horst Janssen. Landschaft, hrsg. von Gerhard Schack, Hamburg 1974

Werkverzeichnis:
Frielinghaus
Frielinghaus, Hartmut: Verzeichnis aller Janssen Radierungen zusammengefasst in Jahrgangsheften, Radierungen des Jahres 1972 [ff. Nr. 501 bis ff. Nr. 661], Hamburg 1988

Gäßler
Gäßler, Ewald (Hrsg.): Horst Janssen. Radierzyklen. Katalog und Werkverzeichnis, Hamburg 1995

Details zu diesem Werk

Radierung, Strichätzung, Flächenätzung auf Zinkplatte in Schwarzbraun und Rotbraun, Papier, graubraun 76mm x 199mm (Platte) 153mm x 243mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett, Legat Gerhard Schack Inv. Nr.: JS-4047 Sammlung: KK Janssen-Archiv

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