Rembrandt Harmensz. van Rijn

Maurits Huygens, Sekretär des Staatsrats in Den Haag, 1632

Die signierte kleinformatige Holztafel zeigt im Halbfigurenporträt einen Mann, der sich mit offenem Gesichtsausdruck dem Betrachter zuwendet. Eine alte Beschriftung auf der Rückseite des Bildes weist ihn als „M Huijgens Secretaris van den / Raad van State in den Hage“ aus. Maurits Huygens (1595–1642), der aus einer politisch aktiven Familie stammte, war seit 1624 als Sekretär des Staatsrats in Den Haag tätig. Vor ihm hatte bereits sein Vater dieses Amt ausgeübt, sein jüngerer Bruder Constantijn arbeitete seit 1625 für den Statthalter Frederik Hendrik. Huygens’ linke Gesichtshälfte und der feine weiße Spitzenkragen über der linken Schulter seines schwarzen Gewandes werden durch das von oben einfallende Licht erhellt, während seine rechte Körperhälfte im Dunkeln bleibt und sich kaum vor dem grauen Hintergrund abhebt. Rembrandt hatte im gleichen Jahr das Bildnis von Amalia van Solms, der Ehefrau des Statthalters, gemalt und so wahrscheinlich die Bekanntschaft Huygens’ gemacht.

Sandra Pisot
Maurits Huygens (1595-1642) erscheint als Halbfigur in freier Haltung, mit sprechendem Gesichtsausdruck ist er dem Betrachter zugewendet. Starkes Licht fällt von oben links ein und hebt die schräg stehende Gestalt von der grauen Wand ab. Über dem zugeknöpften Wams trägt er einen schwarzen Mantel mit samtenem Revers. Die Identität ist durch eine alte Inschrift auf der Rückseite der Tafel gesichert: M Huijgens Secretaris van den / Raad van State in den Hage.2 Huygens hatte 1624 von seinem Vater Christiaen Huygens die Stelle eines Sekretärs des Staatsrates in Den Haag übernommen. Sein jüngerer Bruder Constantijn stand seit 1625 im Dienst des Statthalters Frederik Hendrik und gehörte zu den ersten Bewunderern Rembrandts.
Die Signatur RH van Rij[n] 1632 ist mit großer Wahrscheinlichkeit authentisch, auch wenn die meisten der 1631/32 entstandenen Gemälde mit dem Monogramm RHL (Rembrandt Harmenszoon Leidensis) versehen sind. Die Altersbestimmung der Eichenholztafel bestätigt das angegebene Entstehungsdatum. Frühestes Fälldatum des Baumes ist das Jahr 1627. Mit einer Lagerzeit von zwei Jahren wäre eine Entstehung von 1629 an denkbar. Aus demselben Baum stammt auch die Tafel eines neuerdings wieder als eigenhändig erachteten Selbstbildnisses Rembrandts, das ebenfalls 1632 datiert ist.3
Ein Auftrag für das Bildnis des Sechsunddreißigjährigen ist nicht dokumentiert, jedoch deuten Quellen darauf hin, daß es sich von Anfang an in Huygens' Besitz befand. So hat Rembrandt im selben Jahr das Bildnis des Malers Jacques de Gheyn III. (1596-1641) gemalt, das in Format und Figurenauffassung mit Inv. 87 übereinstimmt.4 Eine direkte Zusammengehörigkeit beider Bildnisse ist zu vermuten, wofür auch das kleine Format spricht, das sie von den übrigen 1631/32 entstandenen Bildnissen Rembrandts unterscheidet. De Gheyn vermachte sein Bildnis einen Tag vor seinem Tode testamentarisch Maurits Huygens.5 Eine Aufschrift auf der Rückseite der Tafel nennt De Gheyn, bringt aber auch den wichtigen Hinweis, dieser habe sein Bildnis Huygens vermacht, so daß es nun sein Gegenstück habe.6 Mit diesem Gegenstück kann nur Inv. 87 gemeint sein, was den Schluß erlaubt, es habe sich von Beginn an im Besitz Huygens' befunden. Wenn sich auch eine ursprünglich gemeinsame Aufstellung der beiden Bildnisse nicht nachweisen läßt - De Gheyn zog erst 1634 von Den Haag nach Utrecht -, so waren sie doch seit dem Tode De Gheyns Pendants. De Gheyn, der seit 1631 nicht mehr als Künstler tätig war, gehörte zu den ersten Sammlern Rembrandts. Neben dem eigenen Bildnis besaß er zwei weitere Gemälde Rembrandts, Zwei alte Männer im Gespräch in Melbourne und den Schlafenden alten Mann neben dem Feuer von 1629 in Turin.7
Trotz fehlender Dokumente ist daher ein persönlicher Kontakt Rembrandts zu Maurits anzunehmen. Rembrandt stand 1632 in Verbindung zum Hof des Statthalters in Den Haag, um das Bildnis von dessen Frau Amalia van Solms zu malen.8 In dieser Zeit entstanden vermutlich die Bildnisse von De Gheyn und Huygens. Letzteres hat wohl als Vorbild für das Porträt des Bruders Constantijn Huygens von 1641 gedient, das dem Hofmaler Michiel van Mierevelt zugeschrieben wird.9
Über den Verbleib der beiden Bildnisse nach Maurits' Tod ist nichts bekannt. 1764 wurden sie auf der Versteigerung der Sammlung A. R. van Waays gemeinsam zum Verkauf angeboten,10 ein letztes Mal im März 1786.11 Auf der Versteigerung der Sammlung D. Vis Blokhuysen (Rotterdam) in Paris am 1 f. April 1870 erwarb Johannes Wesselhoeft das Bildnis Maurits' für seine Sammlung in Hamburg.

Thomas Ketelsen 2001

1 Die Versteigerung war auf den 5. 7. 1804 angesetzt, dann auf den 10. 9. verschoben worden und fand schließlich am 5. 11. 1804 statt.
2 Corpus, Bd. 2, 1986, S. 228, Abb. 3.
3 Holz, 21,8 x 16,3 cm, Privatsammlung, Niederlande; s. Rembrandts Selbstbildnisse 1999, S. 148 f., Nr. 34.
4 Holz, 29,9 x 24,9 cm; bez. RH van Rijn 1632, Dulwich Picture Gallery, London, Nr. 99; P. Murray, Dulwich Picture Gallery. A Catalogue, London 1980, S. 100 f.; Corpus, Bd. 2, 1986, S. 219-224, Nr. A 56; R. Beresford, Dulwich Picture Gallery. Complete Illustrated Catalogue, London 1998, S. 191, mit Hinweis auf Inv. 87. Mehrere Epigramme von Constantijn Huygens zu dem Bildnis De Gheyns belegen Rembrandts Autorschaft, s. Corpus, Bd. 2, 1986, S. 223 f.; ferner Schwartz 1991, S. 97.
5 Vgl. Strauss/Meulen 1979, S. 205; Corpus, Bd. 2, 1986, S. 224: »Item maeckt ende legateert hij comparant aen den Heer Maurits Huygens, Secretaris van de Staten in den hage sijn comparants eygen conterfeytsel bij Rembrand geschildert« (»Dem Herrn Maurits Huygens, Staatssekretär im Haag, seines Komparenten eigenes Konterfei, von Rembrandt gemalt«, dt. Übers. zit. nach Bredius 1915, S. 128). Slive 1953, S. 18, Anm. 3, bezieht den Eintrag irrtümlicherweise auf Inv. 87.
6 Vgl. Katalog Dulwich 1980 (wie Anm. 4), S. 101; Corpus,
Bd. 2, 1986, S. 224: »JACOBUS GEINIVS IVNr / H[uyge]NI
IPSIVS / EFFIGIE[m] / EXTREMVM MVNVS / R. / MORIENS TE. / NVNC HABET ISTA SECUNDVM HEV« (Nun hat es [das Bildnis] sein Gegenstück.)
7 Vgl. Rembrandt. The Impact of a Genius 1997, S. 108-114.
8 Vgl. Corpus, Bd. 2, 1986, S. 61.
9 Huygensmuseum Hofwijck, Voorburg, s. Princely Display.
The Court of Frederik Hendrik of Orange and Amalia van Solms, bearb. v. M. Keblusek, J. Zijlmans, Ausst. Kat. Historisch Museum, Den Haag 1997, S. 102, Abb. 85 (ohne Angabe von Material und Maßen).
10 Der Eintrag im Auktionskatalog lautet: »Twee origeneele Pourtraiten uit de Familie van Huigens, door Rembrandt«;
s. Corpus, Bd. 2, 1986, S. 224. Van Gelder 1953, S. 107, nimmt an, daß sich die beiden Bildnisse im Besitz von Martha Maria Huygens (1638-1683) befanden, die 1664 Hendrik van Utenhove, Herrn van Amelisweer, heiratete. Dieser ehelichte danach Isabella Hoeufft. Aus seinem Nachlaß (er starb 1715) wären die Gemälde dann in den Besitz des Utrechter Sammlers Van Waay gelangt.
11 Der Eintrag im Auktionskatalog lautet: »Par le même [Rimbrandt van Rhyn]. Deux petits Tableaux, Portraits d'Artists. Ils sont chacun ajustes d'une fraise autour du cou, & vêtus d'habillemens noirs. Ces deux morceaux portent le caractere de la plus grande vérité, & sont d'une belle couleur: leur maniere moins libre que celle de différens ouvrages connus de Rimbrandt, nous fait juger qu'ils ont été peints dans sa jeunesse, & pendant qu'il suivoit l'Ecole de Geradow. Hauteur 9 Pouces, largeur 7 [24,3 x 18,9 cm]. B[ois]« (zit. nach Corpus, Bd. 2, 1986, S. 224). Vermutlich gelangten beide Gemälde in den Besitz des Kunsthändlers Noel Joseph Desenfans, der das Bildnis De Gheyns seinem Freund Sir Francis Bourgeois vermachte, aus dessen Besitz es 1811 in das Dulwich College gelangte. Inv. 87 wurde möglicherweise auf der Verst. Desenfans am 8. 6. 1786 in London (Nr. 264: »Rembrandt. A head«) zum Verkauf angeboten. Vielleicht gelangte es in den Besitz von Pieter Cornelis Baron van Leyden, dessen Sammlung am 5. 11. 1804 in Paris versteigert wurde (darunter auch die Nr. 152, die mit Inv. 87 in Beziehung gesetzt werden kann).

Ausst.: Catalogus 1er tentonnstelling [...] in het [...] staatschappij [...] 4/5, Amsterdam 1858, Nr. 1780; Rembrandt und seine Zeit, Museum zu Allerheiligen, Schaffhausen 1949, Nr. 119; Drie Eeuwen portret in Nederland 1500-1800, Rijksmuseum Amsterdam 1952, S. 67 f., Nr. 137, Abb. 25; Rembrandt. Tentoonstelling ter Herdenking van de geboorte van Rembrandt op 15 Juli 1606. Schilderijen, Rijksmuseum, Amsterdam, Museum Boijmans, Rotterdam, 1956, S. 37, Nr. 18; The Orange and the Rose. Holland and Britain in the Age of Observation, Victoria and Albert Museum, London 1964, S. 41, Nr. 60; Rembrandt. Der Meister und seine Werkstatt. Gemälde, hrsg. v. Christopher Brown, Jan Kelch, Pieter van Thiel, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie, Berlin 1991, S. 152-155, Nr. 11; Rembrandt, oder nicht?, Hamburger Kunsthalle 2000, S. 28-30, 44 f., Nr. 2.

Lit.: C. Vosmaer, Rembrandt. Sa vie et ses œuvres, 2. Aufl., Den Haag 1877, S. 116, 493; Bode 1886, S. 22 f.; Leithäuser 1889, S. 67 f.; Émile Michel, Rembrandt. Sa vie, son œuvre et son temps, Paris 1893, S. 114 f.; Wilhelm Bode, Rembrandt. Beschreibendes Verzeichnis seiner Gemälde, 8 Bde., Paris 1897-1905, Bd. 2, S. 34, Nr. 76; Adolf Rosenberg (Einl.), Rembrandt. Des Meisters Gemälde, 2. Aufl., Stuttgart/Leipzig 1906 (Klassiker der Kunst, 2), S. 66; Malcolm Bell, Rembrandt van Rijn, London 1907, S. 53; Wilhelm R. Valentiner, Opmerkingen over enkele schilderijen van Rembrandt, in: Onze Kunst 11, 1907, S. 157-168, bes. 162; Jan Veth, Rembrandts Leben und Kunst, Leipzig 1908, S. 19; Wilhelm R. Valentiner (Hrsg.), Rembrandt. Des Meisters Gemälde, 3. Aufl., Stuttgart/Leipzig 1908 (Klassiker der Kunst, 2), S. 79; Gustav Pauli, Die Kunst Rembrandts, seine Werke in Originalien und Reproduktionen, geordnet nach der Zeitfolge ihrer Entstehung, Kunsthalle zu Bremen, Bremen 1912, S. 10, Nr. 168; Arnold Bredius, Rembrandtiana, in: Oud Holland 33, 1915, S. 127; Hofstede de Groot, Bd. 6, 1915, S. 277 f., Nr. 654; Katalog 1918, S. 130 f.; Gustav Pauli, Rembrandt. Das Bildnis des Maurits Huyghens, Hamburg 1921 (Kunsthalle zu Hamburg. Kleine Führer, 17); Katalog 1921, S. 135 f.; Werner Weisbach, Rembrandt, Berlin/Leipzig 1926, S. 39; Katalog 1930, S. 126 f.; Arnold Bredius, Rembrandt. Gemälde, Wien 1935, S. 7, Nr. 161; H. E. van Gelder, Marginalia bij Rembrandt. I. De pendant van Maurits Huygens, in: Oud Holland 60, 1943, S. 33 f.; H. E. van Gelder, Rembrandts Portretjes van M. Hughens en J. de Gheyn III., in: Oud Holland 68, 1953, S. 107; Seymour Slive, Rembrandt and his Critics 1630-1730, Den Haag 1953, S. 18, Abb. 2; Katalog 1956, S. 124; H. E. van Gelder, Ikonographie vaan Constantijn Huygens en de zijnen, Den Haag 1957, S. 8, Nr. 1; Meisterwerke 1958, S. 33, Nr. 26, Taf. 24; Susanne Heiland, Heinz Lüdecke (Hrsg.), Rembrandt und die Nachwelt, Leipzig 1960, S. 19; Christopher White, Rembrandt. Eine Bildbiographie, München 1965, S. 42 f., Abb. (engl. Ausg. 1964); Kurt Bauch, Rembrandt. Gemälde, Berlin 1966, S. 18, Nr. 352; Katalog 1966, S. 129; Giovanni Arpino, Paola Lecaldano, Das gemalte Gesamtwerk von Rembrandt, Luzern/Freudenstadt 1969, S. 97, Nr. 77; Arnold Bredius, Rembrandt. The Complete Edition of the Paintings, überarb. v. Horst Gerson, London 1969, S. 560 f., Nr. 161; Horst Gerson, Rembrandt. Gemälde. Gesamtwerk, Gütersloh 1969, S. 258, Nr. 104; Bob Haak, Rembrandt. Sein Leben, sein Werk, seine Zeit, Köln 1969, S. 81 f., Abb. 117; Meisterwerke 1969, Abb. 74; Else Kai Sass, Comments on Rembrandt's Passion Paintings and Constantijn Huygens's Iconography, Kopenhagen 1971, S. 52, Abb.; Walter L. Strauss, Marjon van der Meulen, The Rembrandt Documents, New York 1979, S. 205, 1641/1, Abb. S. 204; J. Bauch, D. Eckstein, Woodbiological Investigations on Panels of Rembrandt Paintings, in: Wood Science and Technology 15, 1981, S. 260; Hendrik Arie Hofman, Constantijn Huygens (1596-1687). Een christelijk-humanistisch bourgeois-gentilhomme in dienst van het Oranjehuis, Utrecht 1983, S. 58, Abb. (Ausschnitt); Corpus, Bd. 2, 1986, S. 225-229, Nr. A 57; Gary Schwartz, Rembrandt. Zijn leven, zijn schilderijen, Maarssen 1984, S. 95 f., Abb. 87; Christian Tümpel, Rembrandt. Mythos und Methode, Antwerpen 1986, S. 133, Abb. S. 134, 411 f., Nr. 193; Gary Schwartz, Rembrandt. Sämtliche Gemälde in Farbe, Stuttgart/Zürich 1987, S. 95 f., Abb. 87; Claus Grimm, Rembrandt selbst. Eine Neubewertung seiner Porträtkunst, Stuttgart/Zürich 1991, S. 41 f., Abb. 52; Gary Schwartz, First Impressions. Rembrandt, New York 1992, S. 33; Leonard J. Slatkes, Rembrandt. Catalogo completo dei dipinti, Florenz 1992, S. 202 f., Abb. 111; Meisterwerke 1994, S. 41, Abb., S. 225; Rembrandt. A Genius and his Impact, hrsg. v. Albert Blankert, Ausst. Kat. National Gallery of Victoria, Melbourne, National Gallery of Australia, Canberra 1997, S. 112 f., Abb. 8i; Ernst van de Wetering, Rembrandt. The Painter at Work, Amsterdam 1997, S. 286, ferner Innenseite des Umschlags, Abb. e; Rembrandts Selbstbildnisse, bearb. v. Christopher White, Quentin Buvelot, Ausst. Kat. National Gallery, London, Mauritshuis, Den Haag 1999, S. 148 (zu Nr. 34); .

Details zu diesem Werk

Öl auf Eichenholz 31.1cm x 24.5cm (Bild) 50.5cm x 44cm (Rahmen) Hamburger Kunsthalle, erworben aus der Sammlung Hudtwalcker-Wesselhoeft, 1888 Inv. Nr.: HK-87 Sammlung: Alte Meister © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Elke Walford

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