Anthonis van Dyck
Bildnis eines Herrn, um 1618
Der flämische Maler van Dyck war Mitarbeiter in der Werkstatt von Peter Paul Rubens
in Antwerpen. Das Porträt des unbekannten Edelmannes entstand noch vor seiner Reise nach Italien, wo er die Werke der Meister der italienischen Renaissance studierte. Der Dargestellte sitzt leicht nach rechts geneigt auf einem Stuhl und blickt den Betrachter ernst und prüfend an. Seine linke Hand ruht auf dem Bein, die rechte ist energisch in die Hüfte gestemmt. Die kostbare Kleidung verrät seine Herkunft aus der oberen Gesellschaftsschicht. Er trägt ein schwarzes Gewand aus feinem Seidenstoff mit Blumenmuster, dazu einen über die Schulter gelegten ebenfalls schwarzen Umhang, der sich um seinen Körper drapiert. Die weiße Halskrause aus Spitze und die kunstvoll verzierten Manschetten bilden einen reizvollen Kontrast. Der aufgebauschte rote Vorhang im Hintergrund gibt rechts den Blick frei auf eine skizzenhaft ausgeführte Landschaft. Es scheint, als nehme der Edelmann eine erhöhte Sitzposition ein. Entsprechend von oben herab mutet sein Blick an.
Sandra Pisot
Der Unbekannte sitzt leicht nach rechts gewendet auf einem Stuhl, seine rechte Hand ist in die Hüfte gestemmt, die Linke ruht auf dem Knie. Er trägt ein gegürtetes Gewand aus schwarzer Atlasseide mit gewirktem Blumenmuster. Ein über die linke Schulter gelegter Umhang ist kunstvoll um seinen Körper drapiert. Der Mühlsteinkragen und die spitzenbesetzten Manschetten heben sich effektvoll ab. Der zurückgeschlagene Vorhang ist um eine Säule gelegt, rechts geht der Blick auf Baumkronen und einen bewölkten Himmel. Im Gegensatz zu dem fein modellierten Gesicht sind die Hände, der Vorhang und die Landschaft skizzenhaft angelegt.
Inv. 793 galt auf der Ausstellung von 1899/ 1900 noch als Werk von Rubens; der Dargestellte wurde mit dem Bruder des Künstlers, Philipp, identifiziert. Der Zuschreibung an Van Dyck durch Lionel Cust schlossen sich Oldenbourg, Glück und Burchard an;2 Rosenberg hingegen blieb bei der alten Benennung. Die Autorschaft Van Dycks wurde von Larsen 1955 in Frage gestellt. Er wies auf das Bildnis einer jungen Frau mit Tochter in San Francisco hin, mit großer Wahrscheinlichkeit das Pendant zu Inv. 793.3 Beide Gemälde stimmen im Format sowie in der skizzenhaften Ausführung des Vorhanges und der Landschaft überein; auch das Blumenmuster der Gewänder und die breiten Stuhllehnen mit den großen Palmetten sprechen für die Zusammengehörigkeit. Eislers Vermutung, es handle sich um das Bildnis eines Künstlers mit seiner Familie, bleibt hypothetisch. Das Gemälde in San Francisco wurde von Hofstede de Groot 1912 Cornelis de Vos (1584/85-1651) zugeschrieben, was Greindl4 und Eisler5 bestätigten. Van der Stighelen lehnte die Autorschaft von De Vos für beide Gemälde ab;6 Larsen ordnete sie 1988 dem Umkreis von Rubens zu.7
Inv. 793 und sein Pendant dürften in den Jahren von 1618 bis 1621 in Antwerpen entstanden sein; Van Dycks Bildnisse des Malers Frans Snyders und dessen Frau Margaretha de Vos in New York8 und das Bildnis von Thomas Howard, Earl of Arundel, können als Vorbilder angesehen werden.9 Es ist eine Entstehung in der Werkstatt oder im engsten Umfeld Van Dycks zu vermuten.
Thomas Ketelsen 2001
1 Auf einem älteren Foto (Anderson, Rom, Inv. 18497) ist unten links die Inventarnummer 248 zu erkennen.
2 Ludwig Burchard, briefl. Mitt. vom 1. 8. 1958.
3 Holz, 100,5 x 86,1 cm, Fine Arts Museum, San Francisco, Kress Foundation, Inv. 61.44.34; Eisler 1977, S. 112 f.
4 E. Greindl, Corneille de Vos. Portraitiste Flamand (1584-1651), Brüssel 1944, S. 149.
5 Eisler 1977, S. 133.
6 Katlijne van der Stighelen, Löwen, briefl. Mitt. vom 24. 3. 1999.
7 Zwischenzeitlich Georges Jameson zugesprochen; Larsen 1979.
8 Lw., 124,5 x 105 cm, Lw., 134 x 101,5 cm, Frick Collection, New York, Inv. 09.1.39, Inv. 09.1.42; K. Van der Stighelen,
The Provenance and Impact of Anthony van Dyck's Portraits of Frans Snijders and Margaretha de Vos in the Frick Collection, in: Mercury 5, 1987, S. 37-47, Abb. 1, 2.
9 Lw., 102,8 x 79,4 cm, J. Paul Getty Museum, Los Angeles,
Inv. 86.PA.532; Summary Catalogue of European Paintings, bearb. v. D. Jaffé, Los Angeles 1997, S. 38.
Ausst.: Exhibition of Pictures by Masters of the Flemish and British Schools, including a Selection from the Works of Sir Peter Paul Rubens, New Gallery, London 1899/1900, S. 28, Nr. 128 (als Rubens).
Lit.: Lionel Cust, Anthony van Dyck. An Historical Study of his Life and Work, London 1900, S. 16, 235, Nr. 32; Adolf Rosenberg, P. P. Rubens. Des Meisters Gemälde, Stuttgart/Leipzig 1905 (Klassiker der Kunst, 5), S. 111, Abb. (als Rubens); Les Arts 1905, H. 8, S. 26, Abb. S. 31; Herbert Cook, A Catalogue of the Paintings at Doughty House, Richmond & elsewhere in the Collection of Sir Frederick Cook Bart II., London 1914, Nr. 337 (als Rubens); Rudolf Oldenbourg, P. P. Rubens. Des Meisters Gemälde, 5. Aufl., Stuttgart/Berlin 1921 (Klassiker der Kunst, 5), S. 452, Anm. zu Abb. S. 111 (als Van Dyck); Gustav Glück, Van Dyck. Des Meisters Gemälde, Stuttgart/Berlin 1931, Abb. S. 100, 529; Maurice Brockwell, Abridged Catalogue of the Pictures at Doughty House, London 1932, S. 47, Abb. Taf. XVI (Kat.); Gustav Glück, Rubens, Van Dyck und ihr Kreis, Wien 1933, S. 390, Anm. 1; Erik Larsen, The Samuel H. Kress Collection at the M. H. De Young Memorial Museum, San Francisco, in: Apollo 61, Juni 1955, H. 6, S. 177; ders., Some New van Dyck Materials and Problems, in: Raggi 7, 1967, S. 8-10; Alfred Hentzen, Erwerbungen für die Gemäldegalerie 1968 und 1969, in: Jahrbuch der Hamburger Kunstsammlungen 14/15, 1969/70, S. 247 f., Abb. 3; Colin Eisler, Paintings from the Samuel H. Kress Collection. European Schools excluding Italian, Oxford 1977, S. 133, Abb. Text Nr. 26; Erik Larsen, New Suggestions concerning George Jamesone, in: Gazette des Beaux-Arts 94, 1979, S. 9-18; ders., L'opera completa di Anton van Dyck 1613-1626, Mailand 1980, S. 127, A1; ders., The Paintings of Anthony van Dyck, 2 Bde., Freren 1988, Bd. 2, S. 418, A 17 (Umkreis Rubens); Hamburger Kunsthalle 1997, S. 164, Abb.