Herri met de Bles, Nachfolger

Der Gang nach Emmaus, 1597

Der Kunsthistoriograph Karel van Mander bezeichnete Bles 1604 in seinem Schilder-Boeck als „Meister mit der Eule“, da der Maler seine Werke oftmals mit einem Käuzchen – gleichsam als Signatur – versah. Er berichtete weiter, dass Bles die kleine Eule gerne bis zur Unauffindbarkeit versteckte und die Betrachter Wetten darüber abschlossen, wer sie zuerst entdeckte. Eine steile Berglandschaft mit zerklüfteten Felsmassiven dominiert die Komposition. Im Sinne einer Weltlandschaft und in der Tradition Joachim Patinirs fügte Bles das Gebirge, den See und die Wälder sowie den Ausblick in die Ferne auf die Stadt Jerusalem idealisiert zusammen, um die Gesamtheit des Universums abzubilden. Das eigentliche Bildthema, die Begegnung des auferstandenen Jesus mit den beiden Jüngern, wird eher nebenbei im Vordergrund links geschildert. Nachdem sie Jesus beim Gastmahl in Emmaus erkannt hatten, begaben sich die Apostel nach Jerusalem, um die Botschaft zu verkünden. Die Dreiteilung der Gründe in Braun, Blau und Grün entspricht dem üblichen Farbschema von Bles.

Sandra Pisot
Der auferstandene Christus erscheint den beiden Jüngern auf dem Gang nach Emmaus (Markus 16,12-13; Lukas 24,13). Ein schmaler Weg führt an einem Gebirgsee entlang über eine Zugbrücke zu Gebäuden mit einem Zentralbau; unter einer offenen Arkade ist winzig klein das Gastmahl zu Emmaus dargestellt. Darüber erhebt sich ein zerklüftetes Felsmassiv mit einer Burg. Eine Quelle trennt die Figuren im Vordergrund von der Uferzone mit Muscheln, Eidechsen und Krebsen. Am Ufer gegenüber liegt ein Gehöft mit Taubenschlag. Durch die Felsenge fällt der Blick auf die befestigte Stadt Jerusalem, hinter der sich ein Gebirge erhebt.
Von Inv. 786 sind vier weitere Fassungen in Antwerpen1, Greenville2, Turin3 und Wien4 bekannt. Die größte Übereinstimmung besteht zu den Tafeln in Turin und in Greenville, auf der auch die Kreuzigung Christi dargestellt ist. Zwei heute der Bles-Werkstatt zugeschriebene Skizzenbücher enthalten Motive, aus denen Bles seine Landschaften versatzstückartig zusammengesetzt hat. Eine Zeichnung im Errera-Skizzenbuch in Brüssel zeigt das Gehöft am Ufer, das auf allen fünf Fassungen vorkommt.5 Das Felsmassiv mit der Burg und der Zentralbau sind mit zwei Zeichnungen im Antwerpener Skizzenbuch in Berlin in Verbindung zu bringen.6
Die Infrarotreflektographie zeigt Unterzeichnungen (in schwarzer Kreide?) der Figuren, der Architektur, der Felsen und der Waldlandschaft rechts, mitunter sind fortlaufende Punktierungen zu erkennen.
Die alte Zuschreibung an Lucas van Valckenborch aufgrund des Monogramms LVV7 wurde von Wied und Franz zurückgewiesen.8 Wied bezeichnet Inv. 786 als Replik nach Bles. Franz nimmt eine Entstehung um 1540 an, was die dendrochronologische Untersuchung bestätigt. Der Vergleich mit den Tafeln in Wien und Antwerpen läßt eine zeitgenössische Werkstatt-Wiederholung vermuten. Das bisher unentdeckte Käuzchen im Baum über dem Haupt Christi, nach Van Mander gleichsam Bles' Signatur, spricht ebenfalls dafür. Ungeklärt bleibt die Hinzufügung des Monogramms LVV mit der Jahreszahl 1597.9 Valckenborch hat ein Motiv aus dem Errera-Skizzenbuch verwendet,10 vermutlich auch eine Landschaft Bles' nachträglich vervollständigt.11 Gegen eine Überarbeitung von Inv. 786 durch Valckenborch sprechen jedoch die Auffassung der Landschaft und die feine Ausführung des Blattwerks.
Falkenburg deutet den Gang nach Emmaus als den Weg der Erleuchtung, dem das weltliche Treiben rechts gegenübersteht.12

Thomas Ketelsen 2001

1 Eichenholz, 34,1 x 50,5 cm, Museum Mayer van den Bergh, Antwerpen, Inv. 40; Catalogus I, Schilderijen, verluchte handschriften, tekeningen, bearb. v. J. de Coo, Antwerpen 1966,
S. 21 f., mit Hinweis auf Inv. 786; Friedländer, Bd. 13, 1975,
Nr. 73; Serck 1990, S. 828 f., Nr. 53.
2 Holz, 21 x 33 cm, Slg. Hammer, Bob Jones University, Greenville (S. Carolina); Friedländer, Bd. 13, 1975, S. 80, Nr. 72,
Taf. 37; Serck 1990, S. 833 f., Nr. 53.b.
3 Holz, 34 x 49 cm, Kunsthandlung Giorgio Caretto, Turin 1976; Kat. November 1976, Nr. 2, mit Abb. (nicht bei Friedländer); Serck 1990, S. 831 f., Nr. 53.a.
4 Eichenholz, 23 x 35 cm, Kunsthistorisches Museum, Wien, Inv. 1006; Flämische Malerei von Jan van Eyck bis Pieter Bruegel d. Ä., bearb. v. K. Demus u. a., Wien 1991, S. 52-54, mit Hinweis auf Inv. 786; Friedländer, Bd. 13, 1975, Nr. 75. Vgl. ferner Verst. London (Christie's), 16. 12. 1998, Nr. 25; Serck 1990, S. 835 f., Nr. 53.c.; eine fünfte Fassung bei Serck 1990, S. 839 f., Nr. 53.e.
5 Gudlaugsson 1959, S. 122 ff., Abb. 15; Franz 1969, Abb. 60.
6 H. Bevers, The Antwerp Sketchbook of the Bles Workshop in the Berlin Kupferstichkabinett, in: Herri met de Bles. Studies and Explorations of the World Landscape Tradition, hrsg. v.
N. E. Muller u. a., The Art Museum, Princeton University, Princeton (N. J.), 1998, S. 45, Abb. 41, S. 43, Abb. 35; Ausst. Kat. Böhmen liegt am Meer 1999, S. 58, Nr. 9, 10.
7 Röntgenaufnahme der Signatur vom November 1994
(Dr. Martin Meier-Siem).
8 Wied 1971, S. 213; ders. 1990, S. 195. Bereits Gudlaugsson 1959, S. 125 f., schloß Bles aufgrund der Figuren als Maler
nicht aus.
9 Das Monogramm kommt in Form und Plazierung Valckenborchs Monogramm aus den späten Jahren sehr nahe; vgl. die Landschaft von 1596 im Herzog Anton Ulrich-Museum, Braunschweig, Inv. 54. Die Lichtreflexe lassen die Ziffern und Buchstaben auf Inv. 786 jedoch nicht wie in den Felsen gemeißelt, sondern nur wie aufgetragen erscheinen.
10 Vgl. Gudlaugsson 1959, S. 122, Abb. 6; Gibson 1989, S. 81, Abb. 6.3; Wied 1990, S. 140, Nr. 21.
11 Ebd., S. 22, 137, Nr. 13; ferner Kunst in de Bank. Een keuze van Rubens tot Magritte, hrsg. v. A. Balis, P. Coessens, Ausst. Kat. Paleis voor Schone Kunsten, Brüssel 1997, S. 45 f., Nr. 45 (freundl. Hinweis von E. Buijsen, Den Haag).
12 R. L. Falkenburg, Iconographical Connections between Antwerp Landscapes, Market Scenes and Kitchen Pieces, 1500-1580, in: Oud Holland 102, 1988, S. 120-122.

Ausst.: Luther und die Folgen für die Kunst, Hamburger Kunsthalle 1983, Nr. 219, S. 352 (als Valckenborch); Böhmen liegt am Meer. Die Erfindung der Landschaft um 1600, Hamburger Kunsthalle 1999, S. 23 f., 60, Nr. 36, S. 53, Abb; Autour de Henri Bles, bearb. v. Jacques Toussaint, Musée des Arts Anciens du Namurois 2000, S. 220, Nr. 32.
Lit.: Jacques Stiennon, Les Sites mosans de Lucas I et Martin I van Valckenborch, Société Royale des Beaux-Arts de Liège 1954, Nr. 10; S. J. Gudlaugsson, Het Errera-Schetsboek en Lucas van Valckenborch, in: Oud Holland 74, 1959, S. 126, Abb. 14 (als Valckenborch); Katalog 1966, S. 168 (als Valckenborch); Heinrich Gerhard Franz, Niederländische Landschaftsmalerei im Zeitalter des Manierismus, Graz 1969, S. 84, Anm. 9, S. 205, Abb. 255 (als Valckenborch); Alexander Wied, Lucas van Valckenborch, in: Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen Wien 67, 1971, S. 119-231, bes. S. 213, Nr. 86 (als Replik nach Bles); Heinrich Gerhard Franz, Landschaftsbilder als kollektive Werkstattschöpfungen in der flämischen Malerei des 16. und frühen 17. Jahrhunderts, in: Kunsthistorisches Jahrbuch Graz 18, 1982, S. 165-167, Taf. 41, Abb. 4; Walter S. Gibson, Mirror of the Earth. The World Landscape in Sixteenth Century Flemish Painting, Princeton (N. J.) 1989, S. 130, Anm. 44; Luc Serck, Henri Bles et
la peinture de paysage dans les Pays-Bas méridionaux avant Bruegel, 4 Bde., Louvain 1990, Bd. 4, S. 837 f., Nr. 53 d (nach Bles); Alexander Wied, Lucas und Marten van Valckenborch. Das Gesamtwerk mit kritischem Œuvrekatalog, Freren 1990, S. 195, Kat. 106 (als ausgeschiedenes Werk); Dominique Allart, Sophie Denoel, Cécile Oger, Reflexions et pistes de recherche à la lumière des resultats de l'enquête, in: Henri Bles et la peinture de paysage du XVIe siècle, hrsg. v. D. Allart u. a., Löwen 1998, S. 52, Anm. 75.

Details zu diesem Werk

Öl auf Eichenholz 26.7cm x 35.8cm (Bild) x (Rahmen) Treuhandvermögen der Freien und Hansestadt Hamburg, vormals Stiftung Siegfried Wedells Inv. Nr.: HK-786 Sammlung: Alte Meister © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Elke Walford

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