David Teniers d. J.
Jan van Kessel

Hexenküche

Eine mächtige Steinkartusche mit Lorbeerkranz und einem Gebinde aus Pilzen, Waldfrüchten, Eicheln und Efeu, das durch ein festes Band zusammengehalten wird, schmückt das Einsatzbild einer Hexenküche. Die nächtliche Szene spielt im Freien, ein starker Wind bläst der Hexe in den Rücken und fängt sich in Haar und Gewand. Während sie in dem Kessel über dem Feuer rührt, liest sie in einem Buch das Rezept für den Zaubertrank. Fabelwesen umgeben sie. Geheimnisvoll schaut zwischen den beiden oberen Voluten die Schnauze eines Löwen hervor, dessen Kopf durch Waldfarn verdeckt bleibt.
Passavant und Waagen haben nach ihren Besuchen der Sammlung des Duke of Sutherland bzw. des Earl of Ellesmere im Bridgewater House in London, dem früheren Cleveland House, auf ein Kartuschenbild von Teniers aufmerksam gemacht. Nach ihren Beschreibungen ist es wohl identisch mit Inv. 780.1 Eine andere Fassung im Prado hat nahezu die gleichen Maße.2
Auf Inv. 780 ist die Hexenszene eigenhändig von Teniers signiert. Die geschmückte Kartusche stammt hingegen von einem anderen Künstler, höchstwahrscheinlich von Jan van Kessel, der mehrfach mit Teniers zusammengearbeitet hat.3 Die Blumengirlanden und der Rahmen mit Zierwerk auf Teniers' Brüsseler Bild Die Versuchung des hl. Antonius4 werden ihm ebenso zugeschrieben wie eine opulent geschmückte Kartusche auf dem Gemälde in Paris mit der Darstellung eines Knaben mit Seifenblasen5 (vgl. Inv. 99); auch dort ist das Einsatzbild von einem Lorbeerkranz gerahmt. Wegen der Brandmarke der Antwerpener St. Lukasgilde auf der Rückseite nahm Roskamp eine Entstehung vor 1651 an, dem Jahr des Weggangs aus Antwerpen.
Weite Verbreitung fand das geschmückte Kartuschenbild im 17. Jahrhundert durch die beiden auch in Antwerpen tätigen Maler Daniel Seghers und Jan Davids de Heem; von Seghers sind allerdings nur Blumenkartuschen bekannt (vgl. Inv. 316). Auf De Heems Kartuschenbildern in Berlin (mit einem Römer als Bild im Bild) und Lyon (mit dem Bildnis des Prinzen Willem III. von Oranien) schmückt ein Löwe ebenfalls die Rahmenkomposition.6 Der Löwe war das Freiheitssymbol der sieben nördlichen Provinzen der Niederlande und der Oranier; welche besondere Bedeutung ihm im Zusammenhang mit der Hexenküche zukommt, ist ungeklärt. Für das Motiv der Hexenküche griff Teniers auf eine eigene Komposition zurück, die bereits auf einem 1635 datierten Atelierbild als Bild im Bild zu sehen ist, dort noch ohne Kartusche und Girlande.7 Ein entsprechendes Gemälde mit abgeschrägten Ecken befand sich 1963 im Kunsthandel.8

Thomas Ketelsen 2001

1 Passavant 1833, S. 63: »In der Mitte ist ein kleines Bild einer Zauberin, die unter possirlichen Bewegungen ihren zauberischen Trank bereitet. Dieses Mittelbildchen ist von einer Umfassung von verschiedenen Gegenständen umgeben, die auf die Ingredienzien anspielen, aus welchen Zaubertränke bereitet werden. An einem Stein oder Schild mit wunderlichem Relief wachsen Disteln, Schwämme, Hopfen u. s. w.; Wespen, Heuschrecken und andere giftige Insekten treiben darauf ihr Wesen. Ein Bild voll Laune und sehr ausgeführt.« Dennoch läßt sich Inv. 780 in keinem Katalog der Sammlung (1808, 1818, 1830, 1892, 1907, 1926) nachweisen.
2 Lw., 63 x 47 cm, Museo del Prado, Madrid, Inv. 1913; Katalog Madrid 1975, Bd. 1, S. 378 f., Bd. 2, Taf. 249 (als Joris van Son); El Siglo de Rubens en el Museo del Prado, bearb. v. M. Díaz Padrón, 3 Bde., Madrid 1996, Bd. 2, S. 1474 f., das Einsatzbild dort um 180 Grad gewendet. Eine weitere Fassung der Komposition befand sich 1988 im Kunsthandel in München.
3 Freundl. Hinweis von Guido Jansen, Amsterdam; zu Kessels Zusammenarbeit mit Teniers s. M.-L. Hairs, Collaboration dans des tableaux de fleurs flamands, in: Revue Belge d'Archéologie
et d'Histoire de l'Art 26, 1957, S. 157. Teniers hat auch mit
Philippe de Marlier, Chrétien Luyckx und Gautier Gysaerts zusammengearbeitet, s. J. P. Davidson, David Teniers the Younger, London 1980, S. 58 f.
4 Holz, 39,5 x 52,5 cm, Musées Royaux des Beaux-Arts de Belgique, Brüssel, Inv. 3448; Katalog Brüssel 1984, S. 163.
5 Lw., 67,5 x 51,5 cm, Musée du Louvre, Paris, Inv. 1892; Katalog Paris 1979, S. 80.
6 Lw., 122,5 x 86,5 cm, bez. JDE Heemf / Ao 1651, Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie, Inv. 906B; Katalog 1996,
S. 59, Abb. 988. - Lw., 134 x 114 cm, bez. JD De Heem f, Musée des Beaux-Arts, Lyon, Inv. A 85; Katalog Lyon 1991, S. 59-62, dort liegt zuunterst der Kartusche ein Löwe lang ausgestreckt.
7 Holz, 54,6 x 77,5 cm, Privatbesitz; David Teniers de Jonge 1991, S. 50-53, Nr. 11, die Hexenküche dort als Nr. 14 verzeichnet. Teniers' Atelierbild wurde von Ferdinand van Apshoven kopiert; eine Kopie nach dieser Kopie befindet sich in der Gemäldegalerie Alte Meister, Dresden, Inv. 1101; s. Ketelsen 1996, S. 163, Abb. 1. Teniers' früheste Hexenszene, Die Vorbereitung zum Sabbat in Douai, stammt von 1633; Lucas 1996, S. 96-102, Abb. 3.
8 Verst. Luzern (Galerie Fischer), 3-7. 12. 1963, Nr. 1663; El Siglo de Rubens 1996 (wie Anm. 2), Bd. 3, S. 1474, Abb. oben (die Komposition dort um 180 Grad gewendet).

Lit.: Johann David Passavant, Kunstreise durch England und Belgien, Frankfurt/M. 1833, S. 63; ders., Tour of a German Artist in England, 2 Bde., London 1836, Bd. 1., S. 144 f.; Gustav F. Waagen, Kunstwerke und Künstler in England, 3 Tle., Berlin 1838, Tl. 2, S. 65; Dietrich Roskamp, Eine Hexenszene von David Teniers d. J., in: Jahrbuch der Hamburger Kunsthalle 8, 1963, S. 27-32, Abb. 1; Katalog 1966, S. 158; J. P. Davidson, Hexen in der nordeuropäischen Kunst 1470-1750, Freren 1988, S. 54 f.; David Teniers the Younger. Paintings - Drawings, bearb. v. Margret Klinge, Ausst. Kat. Koninklijk Museum voor Schone Kunsten, Antwerpen 1991, S. 52, Nr. 14; Marijke S. Lucas, Het heksengeloof verbeeld, 17de eeuwse voorstellingen in de Nederlanden, in: Jaarboek Koninklijk Museum voor Schone Kunsten Antwerpen 1996, S. 102-105, Abb. 4; Thomas Ketelsen, Der Weg der Phänomenologie aus dem Bild. Husserl, Adorno, Derrida und Teniers, in: Im Blickfeld. Jahrbuch der Hamburger Kunsthalle 2, 1997,
S. 165 f., Abb. 3.

Details zu diesem Werk

Eichenholz 64.2cm x 48.5cm (Bild) 85cm x 70.5cm (Rahmen) Treuhandvermögen der Freien und Hansestadt Hamburg, vormals Stiftung Siegfried Wedells Inv. Nr.: HK-780 Sammlung: Alte Meister Bildnachweis: Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Elke Walford

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