Herman Saftleven

Küchenstillleben in einer Scheune (Fragment), 1634

Fragment einer größeren Komposition mit zwei an einem Faß sitzenden Männern und einer stehenden Frau auf der rechten Seite. Die querrechteckige Tafel wurde 1958 zersägt, das rechte Drittel der Komposition ist seitdem verschollen.2 Das zu einem Stilleben reduzierte Gemälde zeigt vor einem Backofen ausgebreitet einen großen Holztrog mit einer Kanne und einem getriebenen Messingteller, ein Faß, darauf ein Filzhut und ein Steinzeugkrug, einen Sattel, ein oben ausgebrochenes Vorratsgefäß mit Stöckchen, ein Messingbecken mit einer Rosette aus Fischblasen im Fond3 sowie einen Kupferkessel. Davor liegen ein Blasebalg, eine Fayenceschüssel, ein Paar Holzschuhe, eine Schale, ein Krug, ein Besen und Eierschalen. Dahinter führt eine Treppe zu einer Tür, durch deren oben geöffneten Flügel ein Bauer blickt.
Bereits der Kunstschriftsteller Cornelis de Bie lobte Saftlevens malerische Virtuosität und sorgfältige Schilderung der Alltagsdinge.4 Wenige, auf die ockerfarbene Grundierung dünn aufgetragene Grau- und Silbertöne geben die Oberfläche der Gegenstände wieder, mit pastos aufgesetzten Gelbtönen (in Tempera?) sind die Lichtreflexe gegeben.
Eine 1630 datierte Zeichnung in Köln bereitet das Motiv des boereninterieur met huisrad vor.5 Ebenfalls 1634 malte Saftleven etwa die Scheuneninterieurs in St. Petersburg6, Brüssel7 und Dresden8. Allen gemeinsam ist die Gegenüberstellung von stillebenhaftem Arrangement und Szenen bäuerlichen Lebens. Nach Klinge-Gross stammt die verlorene Figurengruppe von David Teniers d. J. Zwar läßt sich eine Zusammenarbeit beider Künstler für Gemälde belegen, ein direkter Kontakt konnte allerdings bisher nicht nachgewiesen werden.9 Ein Scheuneninterieur Teniers' von 1634 weist jedenfalls große Ähnlichkeiten mit Gemälden Saftlevens auf.10 Auch andere Maler in Rotterdam griffen das Thema des Stallinterieurs mit Gerätschaften auf, so sein Bruder Cornelis, Pieter de Bloot und Hendrick Martensz Sorgh. Am Anfang der Entstehung des Bildtypus steht Jan Davidsz de Heems Interieur einer Scheune von 1631.11

Thomas Ketelsen 2001

1 Schulz 1982, S. 1-11; zuletzt M. J. Bok in: Masters of Light. Dutch Painters in Utrecht during the Golden Age, bearb. v.
J. A. Spicer, Ausst. Kat. Fine Art Museums, San Francisco u. a. 1997/98, S. 388 f.
2 Klinge-Gross 1976, S. 78 f., Anm. 39. Auch Gemälde anderer Maler wurden zerteilt, s. dazu H.-U. Beck, Doorzagen op Jan van Goyen, in: Oud Holland 113, 1999, S. 35-44.
3 Siehe Wiswe 1979, S. 95 f., Abb. 118.
4 S. Rotterdamse Meesters 1994, S. 136.
5 Schwarze Kreide auf Pergament, 198/202 x 272/275 mm, Wallraf-Richartz-Museum, Köln, Inv. Z. 1806; Klinge-Gross 1976, S. 68 f., Abb. 1; Schulz 1982, S. 477, Nr. 1406, Abb. 69.
6 Holz, 42 x 60 cm, bez. Harmanus / Saft Leuen F / 1634, Eremitage, St. Petersburg, Inv. 796; Schulz 1982, S. 120, Nr. 3, Abb. 6.
7 Holz, 41 x 57,7 cm, bez. harmanus / saft.Leuen Fe / 1634, Musées Royaux des Beaux-Arts de Belgique, Brüssel, Inv. 2834; Schulz 1982, S. 119, Nr. 2, Abb. 5; Het verborgen Museum. Ontdekkingstocht in de reserves, Ausst. Kat. Musées Royaux des Beaux-Arts de Belgique, Brüssel 1994, S. 76 f., Nr. 25, mit Hinweis auf Inv. 776.
8 Holz, 32 x 53 cm, bez. C. Saft Leven, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Gemäldegalerie Alte Meister, Inv. 1800; Schulz 1982, S. 122, Nr. 9; Rotterdamse Meesters 1994, S. 222, Nr. 44, S. 216, Abb. Die Gerätschaften malte mit großer Wahrscheinlichkeit Herman Saftleven.
9 Vgl. Schulz 1982, S. 124 f., Nr. 12, S. 126, Nr. 14; zur möglichen Zusammenarbeit ferner Schulz 1978, S. 18; ders. 1982, S. 18.
10 Eichenholz, 46,5 x 63,5 cm, bez. [...]nier Fec 1634, Staatliche Kunsthalle, Karlsruhe, Inv. 193; Katalog Karlsruhe 1966, Bd. 1, S. 291.
11 Holz, 38 x 49 cm, bez. JD Heem. f. A. 1631, Stedelijk Museum De Lakenhal, Leiden, Inv. 957; Jan Davidsz de Heem en zijn kring, bearb. v. S. Segal, Ausst. Kat. Het Centraal Museum, Utrecht, Herzog Anton Ulrich-Museum, Braunschweig 1991, S. 132 f., Nr. 5.

Ausst.: Jean Siméon Chardin (1699-1779), bearb. v. Dietmar Lüdke, Staatliche Kunsthalle, Karlsruhe 1999, S. 302, Nr. 139.
Lit.: Diedrich Roskamp, Erwerbungen für die Gemäldegalerie im Jahre 1960, in: Jahrbuch der Hamburger Kunstsammlungen 6, 1961, S. 159 f., Abb. 1; Katalog 1966, S. 137; Margret Klinge-Gross, Herman Saftleven als Zeichner und Maler bäuerlicher Interieurs, in: Wallraf-Richartz-Jahrbuch 38, 1976, S. 78 f., Abb. 17, 18; Wolfgang Schulz, Cornelis Saftleven 1607-1681. Leben und Werke. Mit einem kritischen Katalog der Gemälde und Zeichnungen, Berlin/ New York 1978, S. 17; Mechthild Wiswe, Hausrat aus Kupfer und Messing, München 1979, S. 95 f., Abb. 118; Wolfgang Schulz, Herman Saftleven 1609-1685. Leben und Werke. Mit einem kritischen Katalog der Gemälde und Zeichnungen, Berlin 1982, S. 16, 18, 119, Nr. 1, Abb. 4; Helmut Bertram, Stillebenbilder der Kunsthalle, Hamburg 1983, S. 110-115, Abb. 23; Roel James, Van boerenhuysen en stilstaende dinghen, in: Rotterdamse Meesters uit de Gouden Eeuw, bearb. v. Nora Schadee, Ausst. Kat. Historisch Museum, Rotterdam 1994, S. 134, 141, Anm. 8.

Details zu diesem Werk

Eichenholz 53.2cm x 46.7cm (Bild) 72cm x 65.5cm (Rahmen) 53cm x 66cm (Bild) Treuhandvermögen der Freien und Hansestadt Hamburg, vormals Stiftung Siegfried Wedells Inv. Nr.: HK-776 Sammlung: Alte Meister © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Elke Walford

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