Willem Claesz. Heda

Stillleben mit Silberkanne und Goldpokal, 1638

Um die reich verzierte Silberkanne auf dem Tisch mit weißer Leinendecke sind kreisförmig angeordnet: ein Stangenglas, ein Glas à la façon de Venise, ein Zinnteller mit einem geräucherten Schinken, ein Teller mit liegendem Silberbecher, ein weiterer, durch ein zweites gebauschtes Tuch halb verdeckter Zinnteller, eine Becherschaube mit Berkemeier, ein Senfgefäß, ein vergoldeter Buckelpokal mit der Statuette des hl. Georg sowie ein Bierglas. Ein geöffnetes Etui mit einem Messer, Haselnüsse und ein Brötchen runden das Stilleben ab. Charakteristisch für Heda sind die Linnentücher mit schwarz abgenähtem Saum, darauf die Signatur HEDA 1638.
Bergström bezeichnete Inv. 71 als eines der frühesten hochformatigen Prunkstilleben Willem Hedas, das am Übergang stehe von den monochromen banketjes der dreißiger Jahre zu den opulenten Stilleben der späteren Zeit.3 Vroom bezweifelte die Eigenhändigkeit und schlug für Inv. 71 und weitere, bislang Willem zugeschriebene Stilleben mit Vorbehalt dessen Sohn Gerret als Maler vor.4 Gerrets frühestes mit de jonge HEDA signiertes Bild stammt von 1642, nach Segal war er davor als Maler nicht selbständig tätig.5 Seine Stilleben lassen sich stilistisch schwer von denen des Vaters unterscheiden; die Gegenstände sind meist härter konturiert, durch häufigere Überschneidungen entstehen mitunter unklare räumliche Bezüge.6 Haak und Segal halten an der Autorschaft Willem Hedas fest. Auch Vroom hat zuletzt eine Zuschreibung an Gerret nicht mehr erwogen.7
Alle Gegenstände des Prunkstillebens lassen sich in immer neuen Kombinationen auf anderen Bildern Willem Hedas nachweisen. So findet sich der vergoldete Buckelpokal mit der Weinkanne und dem Senfgefäß auf einem Stilleben von 1643 wieder, der Deckel mit der Statuette des hl. Georg dort abgenommen;8 die gleiche Becherschaube begegnet auf einem 1640 datierten Bild.9 Die vereinfachte Wiedergabe von Details wie der Zapfen auf den Deckeln von Senfgefäß und Kanne sowie deren für Heda untypisch auslaufende Tülle lassen eine Mitarbeit der Werkstatt vermuten.10 Maerten Boelema und Cornelis Mahu malten wie Gerret zahlreiche Stilleben in der Manier Hedas.

Thomas Ketelsen 2001

1 Zu Willem Heda s. Vroom 1980/1999, Bd. 1, S. 53-78; Segal 1988, S. 132-139; zu Gerret Heda s. zuletzt Vroom 1980/1999, Bd. 3, S. 191-203.
2 1873 testamentarisch der Städtischen Gemäldegalerie vermacht.
3 Bergström 1956, S. 131 f.; erwähnt wird ein weiteres hochformatiges Gemälde Hedas von 1634.
4 Vgl. Alte Pinakothek, München, Inv. 1323, dat. 1644; Vroom 1980/1999, Bd. 1, S. 172, Abb. 232, Bd. 2, S. 60, Nr. 292. Staatliches Museum Schwerin, Inv. 152; Vroom 1980/1999, Bd. 1,
S. 173, Abb. 234, Bd. 2, S. 61 f., Nr. 302.
5 Holz, 82 x 60 cm, Rijksmuseum, Amsterdam, Inv. A 1549; Vroom 1980/1999, Bd. 1, S. 167, Abb. 225, Bd. 2, S. 58, Nr. 285. Gerret signierte mit jonge HEDA, Gerret HeDA oder Gerret HEDA, vgl. Segal 1988, S. 135 f.; Gemar-Koeltzsch 1995, Bd. 2, S. 413 f.
6 Vgl. das Gemälde Gerrets von 1647 im Staatlichen Museum Schwerin, Inv. 151; Vroom 1980/1999, Bd. 3, S. 192, Abb. 141,
S. 193-198; Stilleben des Goldenen Zeitalters. Die Schweriner Sammlung, hrsg. v. K. v. Berswordt-Wallrabe, Ausst. Kat. Staatliche Museen Schwerin, Schwerin 2000, S. 42 f., Nr. 21, S. 118, Nr. 31.
7 Inv. 71 findet keine Erwähnung mehr bei Vroom 1980/1999, Bd. 3, S. 191-203; als frühestes Gemälde Gerrets gilt ein 1640 datiertes Stilleben im Mauritshuis, Den Haag, Inv. 936. Auch Segals Neuzuschreibung des Prunkstillebens von 1648 in
St. Petersburg an Gerret wurde kritisch aufgenommen; s. Segal 1988, S. 216, Anm. 37, und die Rezension von F. G. Meijer, in: Simiolus 20, 1990/91, S. 96.
8 Vroom 1980/1999, Bd. 1, S. 63, Abb. 78, Bd. 2, S. 76, Nr. 370.
9 Eichenholz, 56,5 x 92 cm, Herzog Anton Ulrich-Museum, Braunschweig, Inv. 802; Vroom 1980/1999, Bd. 2, S. 74, Nr. 363.
10 Auf dem Willem Claesz Heda zugeschriebenen Gemälde von 1640 in Rotterdam findet sich der gleiche Zapfen auf dem Senfpott, Holz, 89,4 x 59,6 cm, Museum Boijmans Van Beuningen; Stillevens uit de Gouden Eeuw, Ausst. Kat. Museum Boijmans Van Beuningen, Rotterdam 1989, S. 82 f., Nr. 17. Dieselbe Kanne auf einem Willem zugeschriebenen Gemälde, s. Verst. Kopenhagen (Rasmussen), 27. 5. 1997, Nr. 158 (als Gerret Willem Heda).

Lit.: Verzeichnis 1869, S. 25, Nr. 137; Katalog 1918, S. 67; Katalog 1921, S. 70; Katalog 1930, S. 66; Ingvar Bergström, Dutch Still-Life Painting in the Seventeenth Century, London 1956, S. 129, Abb. 114, S. 131 f.; Katalog 1956, S. 75; Katalog 1966, S. 78; Vroom 1980/1999, Bd. 1, S. 172 f., Abb. 233, Bd. 2, S. 57, Nr. 276; Bob Haak, Das Goldene Zeitalter der holländischen Malerei, Köln 1985, S. 248, Abb. 521; Sam Segal, A Prosperous Past. The Sumptuous Still Life in the Netherlands 1600-1700, Amsterdam 1988, S. 136 f.

Details zu diesem Werk

Eichenholz 102.5cm x 84.7cm (Bild) 144cm x 127cm (Rahmen) Geschenk von Frau Elise Campe, geb. Hoffmann, 1867 Inv. Nr.: HK-71 Sammlung: Alte Meister Bildnachweis: Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Elke Walford

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