Joos de Momper d. J.

Ein Dorf im Winter

Momper war in der Tradition der Fachmalerei, die sich im frühen 17. Jahrhundert in den Niederlanden herausbildete, ausschließlich im Bereich der Landschaftsmalerei tätig. Er entwickelte maßgeblich das Bildthema der winterlichen Landschaft als eigenständiges Sujet. Mehr als 60 Winterlandschaften, sogenannte wintertjes, sind von ihm bekannt. Ein zugefrorener Flusslauf, über den eine Steinbrücke führt, bildet das Zentrum des munteren dörflichen Treibens. Die verschneiten Straßen, die von hohen Häusern und kahlen Bäumen gesäumt werden, sind belebt. Pferdegespanne und eine Schweineherde lassen sich erkennen. Aber auch typische Wintervergnügungen prägen das Bild, wie die Kinder, die sich mit Schneebällen bewerfen, oder die Gruppe von Schlittschuhläufern auf dem Eis. Die Staffagefiguren wurden von Jan Brueghel d. Ä. hinzugefügt. Seit 1612 war es üblich, Malerkollegen an Arbeitsprozessen zu beteiligen. Ungewöhnlich ist die Anordnung des hohen Giebelhauses in der Mitte, das den Blick des Betrachters in die Ferne versperrt.

Sandra Pisot
Durch ein verschneites Dorf zieht ein zugefrorener Wasserlauf, über den eine Brücke führt; daneben ein freistehendes hohes Haus unter einem kahlen Baum und ein Ziehbrunnen. Häuser zu beiden Seiten schließen das weite Blickfeld ab. Die Wege sind vielfach belebt, zwei Pferdegespanne sind unterwegs, eine Schweineherde wird zusammengetrieben; auf dem Eis tummeln sich Schlittschuhläufer. Am Ufer preist ein Junge Almanache an.
Mehr als sechzig Winterlandschaften Mompers sind bekannt. Seine Beschäftigung mit naturnahen Landschaftsbildern und Dorfansichten geht nach Koester auf Jan Brueghel d. Ä. zurück, nach Ertz steht Inv. 663 dessen Dorfeingängen am nächsten. Koester nimmt eine Entstehung kurz nach 1600 an, er vergleicht die Tafel etwa mit dem signierten Gemälde in Oxford.1 Ertz dagegen erwägt ein späteres Datum kurz vor 1620. Mit dem tiefen Augenpunkt, dem nahgesehenen Dorf und dem Kompositionselement der »verstellten Mitte« stehe Inv. 663 am Ende einer Entwicklung, die mit der Darstellung von aus der Ferne gesehenen Dörfern beginne.2 Da von Momper nur ein sicher datiertes Bild bekannt ist, bleibt die Datierung hypothetisch.
Eine Zusammenarbeit mit Jan Bruegel d. Ä., dem die Figuren zugeschrieben wurden, ist seit 1612 urkundlich belegbar; Hinweise auf gemeinsam ausgeführte Winterlandschaften, Winterken genannt, finden sich in mehreren zeitgenössischen Inventaren.3 Koester hat festgestellt, auf Inv. 663 seien nicht alle Figuren von derselben Hand; die Figuren im Hintergrund links seien malerisch nicht so überzeugend wie die beiden Pferdegespanne, die mit großer Wahrscheinlichkeit von Bruegel oder seiner Werkstatt stammen.4
Von der Hamburger Winterlandschaft gibt
es mehrere eigenhändige Wiederholungen und Kopien. Zwei Fassungen in Aranjuez5 und im Kunsthandel6 bezeichnet Ertz als schwächere Repliken, zwei weitere Gemälde als Kopien.7 Eine weitere Version in Madrid ist nach Ertz die Arbeit eines Nachfolgers.8

Thomas Ketelsen 2001

1 Lw., 114 x 164 cm, Ashmolean Museum, Oxford, Inv. 407; Ertz 1986, S. 586, Nr. 442.
2 Ertz 1986, S. 206-215.
3 Ertz 1979, S. 470-473; die Zusammenarbeit dauerte vermutlich bis 1624.
4 Vgl. Koester 1966, S. 62, Anm. 15. Keiner der bei Ertz 1979, S. 472, aufgeführten Künstler, die mit Momper zusammengearbeitet haben, kommt sonst für die Figuren in Frage.
5 Palacio Real, Aranjuez; Ertz 1986, S. 577, Nr. 403 (ohne Maße), unter Mitarbeit Jan Brueghels d. J.
6 Holz, 43,5 x 71,5 cm, Speelman Gallery und Green Gallery, London 1985; Ertz 1986, S. 577 f., Nr. 404, mit nur wenigen Abweichungen zu Inv. 663. Es handelt sich wohl um eine stark vereinfachte Kopie von einem Nachfolger.
7 Holz, 40,5 x 58,6 cm, Galerie Finck, Brüssel 1980, Nr. 10; Ertz 1986, S. 652, Nr. A 199 (»gute Kopie des Hamburger Winterdorfes«). - Lw., 50 x 80 cm, unbekannter Besitz; Ertz 1986,
S. 652, Nr. A 200 (»schwache Kopie des Hamburger Winterdorfes«); wohl identisch mit Lw., 52,7 x 77,7 cm, Verst.
London (Christie's), 10. 7. 1998, Nr. 113 (als Nachfolger Joos de Mompers).
8 Holz, 45 x 76 cm, Museo del Prado, Madrid, Inv. 2816; vgl.
M. Díaz Padrón, Museo del Prado. Catalogo de Pinturas I.
Escuela flamenca siglo XVII, Madrid 1975, S. 76, mit Hinweis auf Inv. 663. Ertz, briefl. Mitt. vom 5. 1. 1995.

Ausst.: Joos de Momper 1564-1635, Kunsthütte zu Chemnitz, Städtisches Museum 1927, S. 14, Nr. 21; Das Flämische Landschaftsbild des 16. und 17. Jahrhunderts, bearb. v. L. Burchard, Galerie Gottschewski/Schäfer, Berlin 1927, S. 18, Nr. 60.
Lit.: Gustav Pauli, Die Kunsthalle zu Hamburg 1927. Jahresbericht der Verwaltung, Hamburg 1928, S. 5, Abb. S. 25; Katalog 1930, S. 109; Katalog 1956, S. 111; Katalog 1966, S. 116; Olaf Koester, Joos de Momper the Younger. Prolegomena to the Study of His Paintings, in: Artes 2, 1966, S. 28 f., 32, Abb. XXIII; Klaus Ertz, Jan Brueghel der Ältere. Die Gemälde mit kritischem Œuvrekatalog, Köln 1979, S. 624, Nr. 413; ders., Josse de Momper der Jüngere. Die Gemälde, Freren 1986, S. 66, 86, 136, 211, 269, 577, Nr. 402, S. 5, Abb. 2 (Ausschnitt), S. 137, Abb. 115, S. 213, Abb. 230.

Details zu diesem Werk

ÖL auf Eichenholz 44cm x 73cm (Bild) 67.5cm x 95cm (Rahmen) Hamburger Kunsthalle, erworben 1927 Inv. Nr.: HK-663 Sammlung: Alte Meister Bildnachweis: Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Elke Walford

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