Max Ernst
Menschliche Figur (Figure humaine), 1930
Wenig menschlich erscheint diese Figur, eher wie eine wuchernde Pflanze oder ein Vogel mit ausgebreiteten Schwingen. Die Metamorphose steht im Zentrum der Kunst von Max Ernst, sowohl den Bildthemen als auch der Arbeitspraxis nach. In zahlreichen Werken beschäftigte sich der Surrealist mit Mischwesen, dem Wechsel von Gestalten in neue Formen, den Mythen und der Ambivalenz von Chimären. Dem Vogel maß er dabei besondere Bedeutung zu, weil er ihn als Symbol für den Menschen und als Alter Ego verstand. Ebenfalls auf ständige Wandlung angelegt sind Ernsts Werkprozesse. Mit Techniken wie Abklatsch, Abkratzen oder Durchreiben erzielte er assoziationsreiche Effekte, in Collagen führte er verschiedene Inhalte zu neuem Sinn zusammen. Auch die Komposition von Figure humaine ist komplex und mehrschichtig: Die zentrale Tierpflanze ist einem Ornamentbuch entnommen, und unter dem aktuellen liegt ein früheres Motiv: von einem Oval umfangene Vögel. Ihr nur noch in Ausschnitten sichtbares raues Federkleid bildet nun fremdartige Fragmente im Blättergrün.
Karin Schick