Anita Rée
Bildnis Hildegard Heise, 1927
Im November 1925 verließ Anita Rée Positano, wo sie seit August 1922 gearbeitet und ihre Kunst weiterentwickelt hatte. Zurück in Hamburg bemühte sie sich weder um ein Zuhause oder festes Atelier, noch realisierte sie bereits geplante Reisen nach Italien und Frankreich. Stattdessen lebte sie in ihrer Heimatstadt wie eine Nomadin, in verschiedenen Pensionen und bei befreundeten Familien.
In den Folgejahren wurde Rée zur gefragten Porträtistin, zahlreiche Bildnisse von Auftraggebern, Bekannten und Freundinnen entstanden. Bereits 1925 hatte Rée die Fotografin Hildegard Heise kennengelernt, die Ehefrau von Carl Georg Heise, Direktor der Lübecker Museen und ein Förderer Rées. Während einige reduzierte Vorzeichnungen Hildegard Heise im Brustbild mit spitzem Ausschnitt zeigen, entschied sich Rée im gemalten Porträt für ein fast quadratisches Format und einen klaren Fokus auf den Kopf mit einem Ansatz nackter Schultern. Im kühlen, präzisen Stil der Neuen Sachlichkeit präsentierte sie ihre Freundin im Kontrast von Hell-Dunkel, als eine Hommage an die Fotografin. Wenige Akzente in Rot und ein zartes Doldengewächs im Bildhintergrund verleihen dem frontal gezeigten, symmetrischen Gesicht Wärme und Lebendigkeit.
Gemeinsam mit ihrem Mann dokumentierte Hildegard Heise nach dem Freitod Anita Rées 1933 die hinterlassenen Kunstwerke. Sie sicherte so Rées Andenken bis heute und ermöglichte erst die wissenschaftliche Forschung zu diesem bedeutenden Mitglied der Hamburgischen Sezession.
Karin Schick