Willem Claesz. Heda
Prunkstillleben, 1638
Hedas Stillleben-Arrangements wirken stets unordentlich. Dabei entsteht der Eindruck, als ob das Essen jäh unterbrochen worden wäre. Und doch ist der Bildaufbau sorgsam austariert. So sind auf einem Tisch mit einer feinen weißen Decke, die links zurückgeschoben ist, verschiedene kostbare chinesische Porzellangefäße angerichtet: Neben einer bemalten Tüllenkanne und einer Schnelle stehen ein Stangenglas, ein Salzfass, ein Römer und ein Schraubenglas mit geschmiedetem Fuß. Die große Kumme rechts zeigt eine siebenköpfige Hydra mit der Aufschrift „Sapienti nihil novum“ (dem Weisen nichts Neues). Neben dem umgeworfenen Silberbecher liegen auf Zinn- und Porzellantellern ein gebratenes Perlhuhn, ein Hecht sowie Oliven, Austern und eine teilweise geschälte Zitrone. Auf einem Schemel vor dem Tisch steht ein Kühlgefäß mit einer Kürbisflasche. Seit Mitte der 1620er Jahre entwickelte Heda die sogenannten monochromen banketjes und beschränkte seine Farbpalette auf Braun-, Grün- und Grautöne. Durch Lichtreflexe auf den Objekten setzte er feine Akzente.
Sandra Pisot
Das Prunkstilleben zeichnet sich durch die Darstellung kostbarer chinesischer Porzellangefäße aus: eine birnenförmige Tüllenkanne, eine mit Blumen- und Blattdekor verzierte Schnelle und eine große Kumme mit reicher Bemalung; in einer Art Wappenschild eine siebenköpfige Hydra mit dem Schriftband Sapienti nihil novum (dem Weisen nichts Neues). Auf dem Tisch, rechts mit einem weißen Tuch bedeckt, stehen ferner ein polygonales Stangenglas, ein von drei Voluten und einer Statuette (Fortuna?) getragenes Salzgefäß, ein Römer mit Krautstrunkfuß und eine Becherschaube mit reich verziertem Metallfuß und Schaubenglas. Auf zwei Porzellantellern liegen ein gebratenes Perlhuhn und ein Hecht, auf den drei Zinntellern Austern, Oliven, eine halbgeschälte Zitrone und eine Pfeffertüte. Neben dem umgestürzten Silberbecher liegen ein Messer, eine Auster und Nußschalen. Das kupferne Kühlgefäß mit der Weinkanne und die Kürbisflasche auf dem niedrigen Schemel im Vordergrund versetzen das Prunkstilleben in den Raum zurück. Eine solche Anordnung findet sich auch auf Stilleben von Jan Davidsz de Heem.
Das Vorbild für die Kumme ist die Pasmore-Schüssel, heute im British Museum, die zu
Beginn der Regierungszeit von Kaiser Wan Li (1573-1619) aus der Ming-Dynastie für einen portugiesischen Auftraggeber hergestellt wurde.1 Schnellen und Kummen dieser Art wurden seit 1635 im Auftrag der Vereinigten Ostindischen Gesellschaft nach holländischen Vorbildern in China angefertigt. Die dargestellten metallenen Gefäße entstanden in den Niederlanden, das Salzfaß und das Schaubenglas um 1620-1625, Kühlbecken und Weinkanne im ersten Drittel des 17. Jahrhunderts.
Eine ähnliche Komposition liegt einem Prunkstilleben im Querformat zugrunde, auf dem die Porzellangefäße jedoch fehlen.2 Die Gegenstände und Speisen wurden anders plaziert oder ausgetauscht, anstelle des Silberbechers trat ein Nautiluspokal. Gudlaugsson schrieb das Bild Cornelis Mahu zu, der Stilleben in der Manier Hedas malte.
Thomas Ketelsen 2001
1 Scheurleer 1969, S. 503, Abb. 9.
2 Lw., ca. 100 x 115 cm, Slg. A. J. Roston, Austin, Texas (Foto RKD, ohne Maßangabe).
Lit.: Basil Gray, A Chinese Blue and White Bowl with Western Emblems, in: British Museum Quarterly 22, 1960, S. 81; A.169 I. Spriggs, Oriental Porceleinen in Western Paintings 1450-1700, in: Transactions of the Oriental Ceramic Society 36, 1964-1966, S. 79 f., Taf. 68 a, c (Abb. der Kumme im British Museum); Rolf Fritz, Sammlung Becker, Dortmund 1967, Nr. 69; Negentiende Oude Kunst- en Antiekbeurs 22 juin tot 12 juli 1967, in: Antiek 2, 1967/68, S. 41, Abb.; D. F. Lunsingh Scheurleer, De pardjeskom en andere Chinese porseleinen op zeventeinde-eeuwse schilderijen, in: Antiek 3, 1969, S. 502, Abb. 7, S. 503, Abb. 9, S. 594, Anm. 21, S. 506; Hans M. Cramer, Paintings by Old Masters, Katalog 20, Den Haag 1975/76, S. 52 f., Nr. 26; D. F. Lunsingh Scheurleer, Chinesisches und japanisches Porzellan in europäischen Fassungen, Braunschweig 1980, S. 215; Vroom 1980/1999, Bd. 1, S. 58 f., Abb. 72, Bd. 2, S. 72, Nr. 359; Gemäldegalerie. Erwerbungen von 1994 bis 1996, in: Im Blickfeld. Jahrbuch der Hamburger Kunsthalle 2, 1997, S. 169.