Jan Josephsz. van Goyen

Ansicht von Rhenen, um 1648

Van Goyen gehörte zu den produktivsten und gefragtesten niederländischen Landschaftsmalern des 17. Jahrhunderts. Flusslandschaften bildeten einen Schwerpunkt in seinem Œuvre. Er bereiste verschiedene holländische Provinzen und Städte und verarbeitete die Motive in seinen Bildern. Durch die Verwendung einer monochromen Farbigkeit, in der gedämpfte Grau-, Braun- und Ockertöne dominieren, verstand er es meisterhaft, landschaftliche Stimmungen festzuhalten. Diese sogenannte tonale Malerei erreichte in den 1640er Jahren ihren Höhepunkt. Von Westen fällt der Blick auf die am Rhein, unweit von Utrecht, gelegene Stadt Rhenen mit ihrem Wahrzeichen, dem hoch aufragenden Turm der spätgotischen Kirche St. Cunera. Davor lässt sich der 1631 vollendete und um 1812 zerstörte Palast für Friedrich V. von der Pfalz erkennen. Einige Segelschiffe liegen in der Bucht, im Vordergrund legt ein Fährboot mit einer Kutsche vor den auf die Überfahrt wartenden Menschen am Ufer an. Bestimmt wird das Bild von dem niedrigen Horizont und dem wolkenverhangenen Himmel.

Sandra Pisot
Die Stadt Rhenen, südöstlich von Utrecht am Rhein gelegen, ist von Westen gesehen. Der mächtige Turm von St. Cunera (erbaut 1442-1531) ragt weit in den Himmel hinein. Ihm vorgelagert ist der 1631 fertiggestellte Palast für den Pfalzgrafen Friedrich V., den Winterkönig von Böhmen. Der vermutlich von Bartholomäus van Bassen errichtete Bau wurde 1812 abgebrochen.2 Vor der Stadt liegen Segler vor Anker. Im Vordergrund nähert sich ein Fährboot mit einer vierspännigen Kutsche der Anlegestelle zur Linken, wo einige Menschen warten. Mehr als zwei Drittel der Bildfläche nimmt der Wolkenhimmel ein.
Seit Hercules Seghers' Ansicht von Rhenen aus der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre in Berlin3 war der Blick auf diese Stadt ein beliebtes Motiv. Van Goyen malte mehrere Ansichten, von Westen wie von Osten, die früheste von 1636.4 Inv. 547 am nächsten kommen datierte Gemälde von 1643, 1644, 1646 und 1650 mit leicht variierter Stadtlandschaft.5 Das Fährboot gehört zum festen Motivrepertoire. Auf den meisten Ansichten von Westen schließt die Komposition anders als Inv. 547 am unteren Rand mit einer Uferzone ab.
Nach Beck ist das Monogramm gefälscht. Bode datierte das Gemälde um 1648, ebenso Beck. Das mittlere der drei Bretter ist von demselben Baumstamm, aus dem auch die Tafeln für die 1645 entstandene Flußlandschaft in Amsterdam stammen.6

Thomas Ketelsen 2001

1 Beck 1972/73, Bd. 1, S. 15-38; Jan van Goyen, bearb. v. C. Vogelaar, Ausst. Kat. Stedelijk Museum De Lakenhal, Leiden, 1996, S. 8 f.
2 P. T. A. Swillens, Jacob van Campen. Schilder en Bouwmeester 1595-1657, Assen 1961, S. 27-30.
3 Eichenholz, 42,6 x 66,5 cm, Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie, Inv. 808A; Katalog Berlin 1996, S. 112,
Abb. 1603.
4 Beck 1972/73, Bd. 2, S. 182-194, Nr. 374-400a.
5 Ebd., S. 185, Nr. 380 (1643); S. 186, Nr. 381, 382, 383 (1644); S. 187 f., Nr. 384, 386 (1646); S. 190-192, Nr. 392, 393, 394 (1650).
6 Holz, 46 x 66,5 cm, Rijksmuseum, Amsterdam, Inv. A 3308; Katalog Amsterdam 1976, S. 246 f. Von Inv. 547 wurde nur das mittlere Brett dendrochronologisch untersucht.

Ausst.: Werke der niederländischen Kunst des 17. Jahrhunderts. Gemälde aus Berliner Privatbesitz, Kunstgeschichtliche Gesellschaft, Berlin 1890, Nr. 72; Das Bild der Landschaft, Hamburger Kunsthalle 1934, S. 24, Nr. 10.
Lit.: Wilhelm Bode, Ausstellung von Werken der niederländischen Kunst veranstaltet durch die Kunstgeschichtliche Gesellschaft in Berlin, in: Jahrbuch der Preussischen Kunstsammlungen 11, 1890, S. 334; Gustav Pauli, Die Kunsthalle zu Hamburg 1914-1924, Hamburg 1925, S. 10, S. 25 mit Abb.; Katalog 1930, S. 57; Katalog 1956, S. 67 f.; Katalog 1966, S. 71; Meisterwerke 1969, Abb. 79; Beck 1972/73, Bd. 2, S. 193, Nr. 399; Helmut Bertram, Landschaftsbilder der Kunsthalle, Hamburg 1978, S. 30-32, Abb.

Details zu diesem Werk

Beschriftung: Unten rechts an der Fähre mit falschem Monogramm versehen: "v.G."

Jan Josephz. van Goyen (1596 - 1656), um 1648 - ? (1); [...] (2); Slg. Louis Lachmann (1860 - 1910), Berlin, mind. 1890 - ? (3); "Slg. Frl. Lachmann (? - ?), Hamburg", ? - 1921 (4); Ankauf von dort, 1921 (5)

1) Es ist zu klären, wann, wie, an wen und für wie viel van Goyen das Werk verkaufte oder gab.
2) Bislang unbekannte Provenienz/en.

3) Wilhelm von Bode: Ausstellung von Werken der niederländischen Kunst veranstaltet durch die Kunstgeschichtliche Gesellschaft in Berlin II Die Gemälde aus Berliner Privatbesitz, in: Jahrbuch der Preussischen Kunstsammlungen 11, 1890, S. 199-241, hier 334 (eigentlich 234). auch: Thomas Ketelsen: Die niederländischen Gemälde 1500-1800, hrsg. von Uwe M. Schneede, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle, Bd. 2, Hamburg 2001, S. 104f.
Louis Lachmann war Bauunternehmer, Inhaber der Firma Lachmann & Zauber, sein Sohn hieß Jacques Lachmann. Siehe: https://opernloderer.blogspot.com/2020/12/eine-andere-komische-oper-1905.html (15.9.2021).
Zur Familie Lachmann siehe auch den Eintrag vom 14.4.2020 in: https://www.diegeschichteberlins.de/forum/1481117688-familie-lachmann.html (15.9.2021):
"Hermann Lachmann war seit 1866 Eigentümer des Hauses Neue Friedrichstraße 48, davor besaß es sein Bruder Salomon. 1872 wird Louis Lachmann, Sohn von Salomon, als Eigentümer im Grundbuch aufgeführt. Hermann Lachmann erwarb das Rittergut Mahlsdorf für 100.000 Taler und wurde am 5. Juni 1869 als Eigentümer eingetragen. In der Festschrift Mahlsdorf 1345 – 1995 aus 1995 wird über Lachmann geschrieben: „Von den mehrfach wechselnden Rittergutsbesitzern soll hier de jüdische Kaufmann Hermann Lachmann genannt werden, der das Gut im Jahre 1869 erwarb, das bereits um 1780 errichtete Vorwerksgutshaus im Stil der Zeit umbauen und modernisieren, sowie einen Gutsgarten anlegen ließ. Hermann Lachmann soll darüber hinaus die Gemeinde in vielfältiger Weise unterstützt, vor allem aber dazu beigetragen haben, die sumpfigen Bauernwiesen durch Meloration trockenzulegen.“
Am 28. 9. 1872 wurde Joseph Lachmann als neuer Eigentümer im Grundbuch vermerkt. 1880 wurde das Gut verkauft. / Mit freundlichen Grüßen / Martin Mende"
Hermann Lachmann lebte von 1813 - 1870.

4) Kunsthalle zu Hamburg. Katalog der Alten Meister, Bd. 3, Hamburg 1930, S. 57, Nr. 547.
5) Kunsthalle zu Hamburg. Katalog der Alten Meister, Bd. 3, Hamburg 1930, S. 57, Nr. 547.

Stand: zuletzt 15.9.2021, Ute Haug.
Status: in Bearbeitung (die mit # markierten Stellen sind noch zu ergänzen), ungeklärt, unbedenklich.

Haben Sie Fragen, Kritik, Anregungen, weiterführende Informationen? Bitte richten Sie eine Nachricht an Dr. Ute Haug unter ute.haug[at]hamburger-kunsthalle.de.
Do you have questions, criticism, suggestions, and further information? Please send a message to Dr. Ute Haug at ute.haug[at]hamburger-kunsthalle.de.

Hamburger Kunsthalle. Meisterwerke der Gemälde-Galerie, Herausgeber: Alfred Hentzen, 1969, S. 446, Abb. S. 79, Abb.-Nr.

Das Bild der Landschaft. Meisterwerke nordischer Künstler aus drei Jahrhunderten, Harald Busch; Hamburger Kunsthalle, 1934, S. 24, Abb.-Nr. , Kat.-Nr. 10

Katalog der Alten Meister der Hamburger Kunsthalle, Herausgeber: Carl Georg Heise, 1966, S. 71, Abb.-Nr.

Die Kunsthalle zu Hamburg 1914-1924. Bericht über die letzten zehn Jahre der Verwaltung, Gustav Pauli, 1925, S. 10, Abb. S. 25, Abb.-Nr.

Die niederländischen Gemälde 1500-1800, Thomas Ketelsen; Herausgeber: Uwe M. Schneede, 2001, S. 104-105, Abb.-Nr.

Katalog der Alten Meister der Hamburger Kunsthalle, 1956, S. 67-68, Abb.-Nr.

Kunsthalle zu Hamburg. Katalog der Alten Meister, 1930, S. 57, Abb.-Nr.

Jan van Goyen 1596-1656. Ein Oeuvreverzeichnis. Katalog der Gemälde, Hans-Ulrich Beck, 1973, S. 193, Abb. S. 399, Abb.-Nr. , Kat.-Nr. 399

Landschaftsbilder der Kunsthalle, Helmut Bertram; Herausgeber: Freie und Hansestadt Hamburg; Behörde für Schule und Berufsbildung, Amt für Schule, Referat S221/5, 1978, S. 30-32, Abb.-Nr.

Werke der niederländischen Kunst des 17. Jahrhunderts. Gemälde aus Berliner Privatbesitz; Kunstgeschichtliche Gesellschaft, 1890, Abb.-Nr. , Kat.-Nr. 72

Ausstellung von Werken der niederländischen Kunst veranstaltet durch die Kunstgeschichtliche Gesellschaft in Berlin II Die Gemälde aus Berliner Privatbesitz, Wilhelm von Bode, 1890, S. 334 (eigentlich 234), Abb.-Nr.

Segeln, was das Zeug hält. Niederländische Gemälde des Goldenen Zeitalters, Sitt, Martina und Gaßner, Hubertus; Hamburger Kunsthalle, 2010, S. 177, Abb. S. S. 148, Abb.-Nr.

Gustav Pauli und die Hamburger Kunsthalle. Biographie und Sammlungspolitik, Christian Ring, 2010, Abb. S. S. 106, Abb.-Nr.

Kunst aus acht Jahrhunderten, Herausgeber: Hamburger Kunsthalle und Freunde der Kunsthalle e.V., 2016, S. 53, Abb., Abb.-Nr.

Öl auf Eichenholz 63cm x 84.4cm (Bild) 79cm x 101cm (Rahmen) Hamburger Kunsthalle, erworben 1921 Inv. Nr.: HK-547 Sammlung: Alte Meister Bildnachweis: Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Elke Walford

BPK Fotobestellung Fragen und Infos per mail

Wir sind bestrebt, die Art und Weise zu hinterfragen, wie wir über Kunst und unsere Sammlung sprechen und diese präsentieren. Daher freuen wir uns über Ihre Anregungen und Hinweise.

Feedback

Weitere Werke von
Jan Josephsz. van Goyen

Permalink