Joseph Wright of Derby
Ausbruch des Vesuvs
Zwischen einer dunklen, weitgehend ungestalteten Vordergrundzone auf der linken Bildseite und einer vom silbrigen Glanz des Mondlichts geprägten rechten Bildhälfte steht nahezu mittig der orange leuchtende Feuerkegel des ausbrechenden Vesuvs, im Zentrum der Komposition. Das schauerliche Ereignis des Vulkanausbruchs im Jahr 79 n. Chr., das Plinius der Jüngere in zwei an den Historiker Tacitus gerichteten Briefen in dramatischen Worten als ein die Atmosphäre allmählich verdunkelndes Grauen schilderte,1 wurde anlässlich späterer und schwächerer Ausbrüche in vielen Ansichten der von Italien begeisterten Maler allmählich zu einem feuerwerksähnlichen Schauspiel verharmlost. Nicht zufällig ist Wrights kompositorische Anordnung von Vorder- und Hintergrundzone mit seinem Feuerwerk bei Castel Sant’Angelo von 1776 gut vergleichbar.2 Hier besticht daher die Szenerie eindeutig durch ihre letztlich romantisch beruhigte Ausstrahlung und wirkt keinesfalls wie eine an der Naturerfahrung orientierte Schilderung: Das beleuchtete Wasser scheint rot und grün auf, Menschen treten hier als Augenzeugen fast ganz zurück, nur zwei Boote zeugen ganz entfernt von menschlichem Leben ebenso wie die links auf einer Klippe aufragende Villa.
Der Schweizer Alpenforscher Horace Bénédict de Saussure hatte 1773 den Vesuv vermessen, zu einer Zeit, als beide Ränder des Kraters, der nordwestliche und der südöstliche, ihm gleich hoch erschienen. Er maß ihre Höhe über der Meeresfläche als 3654 Pariser Fuß. Im selben Jahr begann Wright of Derby seine Grand Tour in Italien, um sich als Landschaftsmaler zu etablieren, nachdem er bereits mit seinen Kerzenlichtbildern Erfolg gehabt hatte. Er fertigte auch Ansichten des Vesuvs, von der Bucht am Fuße des Posillipo aus gesehen. Bekannt sind bisher 27 solcher Ansichten, von denen Nicolson jedoch nur acht erwähnte. Inv. 5408 kommt der bei Nicolson angegebenen Version aus englischem Privatbesitz von 1788/89 am nächsten.3
Wrights Vesuv-Ansichten waren auch lange nach seiner Rückkehr nach England noch sehr gefragt, sodass er unzählige Repliken anfertigte. Diese Perspektive auf den Vesuv geht vermutlich auch auf das von Claude-Joseph Vernet (siehe dort) geprägte Darstellungsschema mit der Bucht im Vordergrund zurück. M. S.
1 »Schon regnete es Asche, doch zunächst nur dünn. Im Rücken drohte dichter Qualm, der uns, sich über den Erdboden ausbreitend, wie ein Gießbach folgte« (Plinius d. J., Epistulae VI,20 [24./25. August 79 n. Chr.]).
2 Lw., 137,5 x 173 cm, Walker Art Gallery, Liverpool; s. Judy Egerton (Hrsg.), Joseph Wright of Derby, Ausst.-Kat. Tate Gallery, London [u. a.] 1990, S. 112, Nr. 67, Abb.
3 Lw., 102,8 x 128,2 cm, vgl. B. Nicolson, Joseph Wright of Derby. Painter of Light, London 1968, Bd. 1, S. 254, Nr. 267, sowie S. 282, Anm. 35; Bd. 2, S. 185, Taf. 291.
AUSST.: Europa 1789: Aufklärung, Verklärung, Verfall, hrsg. v. Werner Hofmann, Hamburger Kunsthalle 1989,
S. 191, Nr. 195, Abb., Farbtaf. 16 (Text v. Ludwig Seyfarth).
LIT.: Helmut R. Leppien, Gemäldegalerie. Erwerbungen 1988, in: Idea 8, 1989, S. 244, Abb.