Georges Rouault
Zwei Akte, 1910/vor 1927
Mit schweren runden Bäuchen und Brüsten stehen zwei weibliche Figuren versetzt zueinander vor einer hügeligen Landschaft. Die eine Gestalt ist so nah an den unteren Bildrand gerückt, dass sie die Betrachtenden fast zu berühren scheint, doch ist der Ausdruck ihres abstrahierten Gesichts kaum zu deuten. Dunkle breite Konturlinien umfangen intensive Rot- und Grüntöne und betten die Figuren in die Natur ein – eine Kompositionsweise, die an Cloisonné-Technik denken lässt und an die Lehrzeit Georges Rouaults in einer Glasmalerwerkstatt erinnert. Weiße Höhungen verstärken das Volumen der Körper und die Tiefe des Bildraums; sie entstanden wahrscheinlich um 1929 in einer Überarbeitung des Gemäldes.
Rouault, der bei dem Symbolisten Gustave Moreau studiert hatte und den Fauves nahestand, galt als spiritueller, einfühlsamer Maler. Seine christliche Haltung spiegelt sich auch in seinen seit dem Jahr 1905 entstandenen Milieustudien wider. In ihnen thematisierte Rouault Grundfragen der menschlichen Existenz, wie beispielsweise das Schicksal von Verarmten, Kriminellen oder Prostituierten. Auch in diesem Zusammenhang widmete er sich immer wieder dem Motiv des weiblichen Akts.
Inga Dreesen
Details zu diesem Werk
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Beschriftung: Unten rechts signiert: G. Rouault
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Dorival/Rouault 484,
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Georges Rouault (Paris 1871 – 1958 Paris), 1910/1911 – ? (1); [...] (2); Galerie Henri Bing (existent von 1925 – 1932), Paris, mind. 1927 – mind. 1929 (3); [...] (4); Dr. Hans Friedrich Secker (Elberfeld 1888 - 1960 Pfronten), Honnef am Rhein, ? – Zeitraum 1939 bis 1945 (5); Ankauf von dort von Günther Franke (Berlin 1900 – 1976 München), München, Zeitraum von 1939 bis 1945 - mind. 1974 (6); [...] (7); Verst. „Important Impressionist and Modern Painting and Sculptures“ bei Sotheby’s London, 7.12.1977, Los 26 (kein Zuschlag, Nachverkauf?) (8); [...] (9); Verst. Kunst des XX. Jahrhunderts bei Kunsthaus Lempertz, Köln, Auktion 576, Los 609, 17.5.1980 (10); [...] (11); Galerie Neuendorf, Hamburg, ? – 24.2.1982 (12) Ankauf von dort durch die Stiftung zur Förderung der Hamburgischen Kunstsammlungen (heute = Stiftung Hamburger Kunstsammlungen), 1982 (13); seitdem Dauerleihgabe an die Hamburger Kunsthalle
1) Es ist zu klären, wann, wie und an wen Rouault das Gemälde verkaufte oder weitergab. Rouault stellte das Gemälde 1910 in der Modernen Galerie in München und bei Paul Cassirer in der Ausstellung der Neuen Künstlervereinigung München, 21.1.-2.2.1911, Nr. 47, in Berlin aus. Siehe: Bernhard Echte: Kunstsalon Cassirer „Verheißung und Erfüllung zugleich“. Die Ausstellungen 1910 - 1912., hrsg. von Bernhard Echte und Walther Feilchenfeldt, Mitarbeit Petra Cardioli, Schriftenreihe der International Music and Art Foundation, Bd. 9, Wädenswil/Nimbus Kunst und Bücher AG 2016, S. 219 und 222.
2) Bisher unbekannte Provenienz/en.
3) Georges Rouault, Galerie Bing, Paris 1927; André Malraux: Georges Rouault, in: Formes. Revue internationale des arts plastiques 1929 (Dezember), Nr. 1, S. 5; Georges Rouault, Ausst.-Kat. Kunstverein in Hamburg 1966, Nr. 19.
4) Bisher unbekannte Provenienz/en.
5) Georges Rouault, Ausst.-Kat. Kunstverein in Hamburg 1966, Nr. 19.
Dr. Hans Friedrich Secker (Elberfeld 8.5.1888 - 7.8.1960 Pfronten), Professor für Kunstgeschichte, Direktor der Städtischen Galerie und des Westpreussischen Landesmuseums in Schwerin (1912 - 1922) und Direktor des Wallraf-Richartz-Museum in Köln (1922 - 1928). Siehe https://www.deutsche-biographie.de/pnd117468886.html (zuletzt 5.5.2020, Ute Haug). Nach seiner Direktorentätigkeit war Secker in Köln kunsthändlerisch tätig. Secker und Bing standen spätestens im Juli 1931 in Kontakt, vermutlich bereits früher (Auskunft Provenienzforschung der Stadt Köln, Dr. Marcus Leifeld an Nadine Bauer per E-Mail am 21.11.2023). Bayerische Staatsbibliothek, Teilnachlass Günther Franke, Galerie Günther Franke Korrespondenz M-Z 1965-1975, Günther Franke an Direktor P. A. Ade, Haus der Kunst München, 8.1.1974: „Das Bild befand sich im Besitz des Kunsthändlers Bing [Paris], später bei Herrn Dr. Secker, Museumsdirektor in Köln, von dem ich es in den Kriegsjahren erworben habe.“
6) Bayerische Staatsbibliothek, Teilnachlass Günther Franke, Leitz-Ordner, Galerie Günther Franke Korrespondenz M-Z [alles 1965-1975?], Brief von Franke an Direktor P. A. Ade, Haus der Kunst München vom 8.1.1974. Siehe Erwähnung des Werks in: Felix Billeter (Hg.): Kunsthändler, Sammler, Stifter. Günther Franke als Vermittler moderner Kunst in München 1923-1976, Schriften der Forschungsstelle „Entartete Kunst“, Bd. XI, 2017, S. 372, Bestand der Sammlung Günther Franke.
Für 1949: München und die Kunst des 20. Jahrhunderts. Der Weg von 1908-1914. Der Blaue Reiter, Ausst.-Kat. Haus der Kunst München, 1949, Nr. 286: „Akte“ Öl auf Leinen NKV 1910 [Günther Franke in Leihgeberliste in Kat. genannt].
Für 1960: Sammlung Günther Franke. Gemälde. Zeichnungen. Druckgraphik, Ausst.-Kat. Städtische Galerie München 1960, Nr. 579.
Für 1974: Ausst.-Kat. Haus der Kunst München; City Art Gallery, Manchester 1974, Nr. 19.
G. Rouault. 1871-1974, Ausst.-Kat. Haus der Kunst München; City Art Gallery, Manchester 1974, Nr. 19 (mit Abb.).
Etikett auf Keilrahmen „Graphisches Kabinett München Briennerstraße 10 Leitung Guenther Franke - G. Rouault Deux Figures - Bes. Günther Franke durch Dr. Secker erworb.“; das Graphische Kabinett von Günther Franke befand sich zwischen 1927 und 1930/31 in der Brienner Straße 10.
7) Bisher unbekannte Provenienz/en.
8) Verst. Sotheby’s London, Important Impressionist and Modern Paintings and Sculpture, 7.12.1977, Los 26, „Provenance: Günther Franke, Munich“; vermutlich kein Zuschlag, da das Los nicht auf Preisliste im Katalog (Exemplar Hamburger Kunsthalle) geführt ist. Hier heißt es als Erläuterung auf der „Price List“ zu den nicht aufgeführten Werken: „Lot numbers which are omitted represent items which were withdrawn, passed, or unsold.“
9) Bislang unbekannte Provenienz/en.
10) Der Zuschlagspreis belief sich auf 115.000 Deutsche Mark (laut undatiertem Notizzettel in der Werkakte).
11) Bislang unbekannte Provenienz/en.
12) Die Galerie Neuendorf konnte zur Vorprovenienz des Werkes keine Informationen nennen. Die Ankaufssumme betrug 250.000 Deutsche Mark. Berichte der Hamburger Kunsthalle. Gemäldegalerie. Erwerbungen 1982, in: Idea. Jahrbuch der Hamburger Kunsthalle 2, 1983, S. 187.
13) Akten der Stiftung Hamburger Kunstsammlungen, Ordner „Rechnungen 1.1.1982 – 31.12.1986“, 1982, Buchstabe N, Schreiben und Rechnung vom 24.2.1982. Die Ankaufssumme betrug 250.000 Deutsche Mark, inkl. 6,5 % MWSt. Berichte der Hamburger Kunsthalle. Gemäldegalerie. Erwerbungen 1982, in: Idea. Jahrbuch der Hamburger Kunsthalle 2, 1983, S. 187.
Stand: 04.05.2023, Ute Haug; 20.02.2024 Nadine Bauer und Ute Haug
Status: in Bearbeitung, ungeklärt, bedenklich.
Die Provenienz dieses Werkes konnte im Rahmen des gemeinsam von der Stiftung Hamburger Kunstsammlungen, Hamburger Kunsthalle und dem Deutschen Zentrum Kulturgutverluste, Magdeburg, finanzierten Projektes "Erforschung der Werkprovenienzen der Kunstwerke mit ungeklärter bzw. bedenklicher Herkunft im Eigentum der Stiftung Hamburger Kunstsammlungen, die sich als Dauerleihgabe in der Hamburger Kunsthalle befinden." (siehe: https://www.hamburger-kunsthalle.de/forschungsprojekt-werkprovenienzen-zu-dauerleihgaben-im-eigentum-der-stiftung-hamburger) erforscht werden.
Zitierweise nach folgendem Schema: Künstlername, Werktitel, Inv. Nr., Provenienz und Link, sowie Name Bearbeiter*in, letzter Stand und Zugriffsdatum.
Cite according to the following scheme: artist's name, title of work, inv. no., provenance and link, name of editor, last status, as well as date of access.
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Hamburger Erfahrungen 1969-1990, Werner Hofmann; Herausgeber: Freunde der Kunsthalle e.V., 1990, Abb. S. 60, Abb.-Nr. , Kat.-Nr. 63
Der Rahmen ist das halbe Bild. Bilderrahmen in der Hamburger Kunsthalle, Thomas Sello, 1995, S. 34, 41, Abb.-Nr. , Kat.-Nr. 37 (mit Abb.)
Die Gemälde der Klassischen Moderne, Hurttig, Marcus Andrew, 2010, S. 355-356, Abb., Abb.-Nr.
Berichte der Hamburger Kunsthalle. Gemäldegalerie. Erwerbungen 1982, Helmut R. Leppien, 1983, S. 187, Abb. S. 187/Nr. 5, Abb.-Nr.
Stiftung zur Förderung der Hamburgischen Kunstsammlungen. Erwerbungen 1982/83, 1984, S. 18, Abb. S. 19, Abb.-Nr.
Kunst für Hamburg. Von laut bis leise. 50 Jahre Stiftung für die Hamburger Kunstsammlungen; Museum für Kunst und Gewerbe, Hamburg und Hamburger Kunsthalle, S. 182, Abb. S. 183, Abb.-Nr.
Georges Rouault; Kunstverein in Hamburg, 1966, Abb. S. Nr. 19, Abb.-Nr. , Kat.-Nr. 19
G. Rouault. 1871-1974; Haus der Kunst München; City Art Gallery, Manchester, 1974, Abb.-Nr. , Kat.-Nr. Nr. 23 (München) und Nr. 19 (mit Abb.)
The Nude. Ideal and Beauty. From Neoclassicism to Today; Galleria d’Arte Moderna, Bologna, 2004, Abb. S. 121, Abb.-Nr. , Kat.-Nr. 97
Rouault. L’œuvre peint, Bernard Dorival u. Isabelle Rouault, 1988, Abb.-Nr. , Kat.-Nr. 484 (mit Abb.)
Der Blaue Reiter im Lenbachhaus München, Herausgeber: Rossel Gollek, 1974, Abb. S. 271/Nr. 87, Abb.-Nr.
Neue Künstlervereinigung München. 2. Ausstellung; Moderne Galerie Thannhauser, München, 1910, Abb.-Nr. , Kat.-Nr. 87 (mit Abb.)
Sammlung Günther Franke. Gemälde. Zeichnungen. Druckgraphik; Städtische Galerie München, 1960, Abb.-Nr. , Kat.-Nr. 579
Rouault. An Exhibition of Paintings, Drawings and Documents arranged by the Arts Council of Great Britain in association with the Edingburgh Festival Society; The Royal Scottish Academy Edinburgh; The Tate Gallery, London, 1966, S. 10, Abb.-Nr. , Kat.-Nr. 30
Georges Rouault. Con introduzione, avec une introduction et des textes en français de Georges Rouault, 1945, Abb. S. Taf. 47, Abb.-Nr.
Georges Rouault, André Malraux, Abb.-Nr. , Kat.-Nr. (mit Abb.)
Modern Art Exhibitions. 1900-1916. Selected Catalogue Documentation, Donald E. Gordon, 1974, Abb. S. 180/Nr. 629, Abb.-Nr.
München und die Kunst des 20. Jahrhunderts. Der Weg von 1908-1914. Der Blaue Reiter; Haus der Kunst München, 1949, Abb.-Nr. , Kat.-Nr. 286
Modern Art Exhibitions. 1900-1916. Selected Catalogue Documentation, Donald E. Gordon, 1974, S. 424, Abb.-Nr.
Der Blaue Reiter und das Neue Bild. Von der >Neuen Künstlervereinigung< zum >Blauen Reiter<, Herausgeber: Annegret Hoberg u. Helmut Friedel; Städtische Galerie im Lenbachhaus, München, 1999, Abb. S. Nr. 99, Abb.-Nr. , Kat.-Nr. S. 346/Nr. 160
Georges Rouault, Charles Terasse, 1928, Abb. S. Taf. 3, Abb.-Nr.
Alexej von Jawlensky, Georges Rouault: Sehen mit geschlossenen Augen, C. Philipsen, A. Affentranger-Kirchrath, Th. Bauer-Friedrich; Herausgeber: Kunstmuseum Moritzburg; Halle, 2017, 2017, S. 150, Abb. S. 175, Abb.-Nr. , Kat.-Nr. 61
150 Jahre Hamburger Kunsthalle. Die Ankäufe der Stiftung Hamburger Kunstsammlungen, Herausgeber: Stiftung Hamburger Kunstsammlungen, 2019, S. 116-117, Abb., Abb.-Nr.
PARIS - BERLIN 1900-1933. Übereinstimmungen und Gegensätze Frankreich-Deutschland.; Centre National d'art et de Culture georges Pompidou, Paris/1978, 1979, S. 56, Abb.-Nr.
Kunstsalon Cassirer "Verheißung und Erfüllung zugleich". Die Ausstellungen 1910 - 1912., Bernhard Echte; Herausgeber: Bernhard Echte und Walther Feilchenfeldt, Mitarbeit Petra Cardioli, 2016, S. 218, 222, Abb. S. 219, Abb.-Nr. , Kat.-Nr. 83
Öl auf Papier auf Leinwand 69.9cm x 57cm (Bild) 86.5cm x 73.5cm (Rahmen) Hamburger Kunsthalle, Dauerleihgabe der Stiftung Hamburger Kunstsammlungen, erworben 1982 Inv. Nr.: HK-5305 Sammlung: Klassische Moderne © SHK / Hamburger Kunsthalle / bpk Photo: Elke Walford
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