Johann Julius Heinsius
Bildnis einer Dame, 1809
Brustbildnis einer modisch »à la Titus« frisierten Dame in hoch tailliertem Kleid nach rechts, den Betrachter anblickend. Rechts ein Pinscher, auf dem linken Zeigefinger ein Kanarienvogel. Monochrom grauer Hintergrund mit angedeutetem Schatten rechts.
Dem Verzicht auf Accessoires und aufwändigen Hintergrund in seinen Bildnissen verdankt Heinsius den Ruf eines »physiognomiste sincère«.1 Inv. 53 bestätigt diese Nüchternheit und ist zugleich ein gutes Beispiel für die ungewöhnlich lockere Malweise des Künstlers. In seiner Zeit in Orléans, wohin Heinsius vermutlich wegen des Zusammenbruchs des Pariser Kunstmarkts durch die Revolution ausgewichen war, verstärkte sich diese bereits in den 1780er Jahren bei ihm nachweisbare Tendenz zu einer offeneren Pinselführung. Sie kontrastiert stark mit dem harten Klassizismus der revolutionären und nachrevolutionären Bildnismalerei in Paris. Einzig die Gesichtspartie von Inv. 53 ist mit ihren Schattierungen tonig durchgearbeitet; Kleidung und die beiden Haustiere sind in flüchtigeren, offenen Zügen gemalt. Der lockere frottis des grauen Hintergrunds lässt stellenweise sogar die Grundierung durchscheinen. Vergleichbare Züge finden sich in Werken wie dem Selbstbildnis von 1806 und dem Portrait einer sitzenden Dame von 1810, dessen Komposition mit Inv. 53 fast identisch ist.2
Die Korrektur des Künstlernamens im Katalog von 1930 war keine eigentliche Neuzuschreibung, sondern berichtigte die (bis heute endemische) Namensverwechslung des in Frankreich erfolgreichen Johann Julius Heinsius mit seinem weniger bekannten älteren Bruder Johann Ernst Heinsius, der in Weimar tätig war und dort um die Jahreswende 1794/95 starb.3 G. W.
1 C. Oulmont, J. E. Heinsius 1740-1812, peintre de Mesdames de France, Paris 1913, S. 23.
2 Lw., 64,6 x 53,3 cm, dat. 1806, Klassik Stiftung Weimar,
Inv. G 968. – Lw., 61 x 50 cm, dat. 1810; Verst. Bern (Dobiaschofsky), 21. 10. 1998, Nr. 619, Abb. (als Johann Ernst Heinsius).
3 Briefl. Mitteilungen von Hans Wahl, 14. 11. 1927, und von Berthold Rein, 9. 2. 1928. Selbst Oulmont, der die bis heute einzige Monographie zu Johann Julius Heinsius vorlegte, ließ diese unter dem Namen des Bruders erscheinen und hielt beide Künstler für identisch (siehe Oulmont 1913 [wie Anm. 1], S. 8).
AUSST.: Der letzte Schrei. Eine Modeausstellung der Hamburger Museen, Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg 1976, Abb. S. 68.
LIT.: Gustav Pauli, Die Kunsthalle zu Hamburg 1925/1926, Hamburg 1927, S. 5, 8 (als Johann Ernst Heinsius); Katalog 1930, S. 68 (Johann Julius Heinsius); Katalog 1956, S. 76; Katalog 1966, S. 79.