Werner Tübke

Am Strand von Roma Ostia I, 1973

Werner Tübke nutzte eine Spanplatte für zwei vollkommen entgegengesetzte Themen. Auf der einen Seite entwarf er eine Freizeitwelt am Meer, die sich unter einem seltsam unheil dräuenden Himmel abspielt, auf der anderen befindet sich die Studie zum Wandbild „Arbeiterklasse und Intelligenz“, das er zwischen 1971 und 1973 für das Hauptfoyer der Karl-Marx-Universität Leipzig malte. Tübkes Maßstab waren immer die großen Meister der Vergangenheit: Während sich die Strandszene mit ihren gedehnten und verdrehten Körpern an den ekstatischen Stil der Florentiner Manieristen des 16. Jahrhunderts anlehnt, zitiert er mit seinen geradezu aristokratisch posierenden Arbeitern und Angestellten die maßvoll einherschreitende Prächtigkeit eines Tizian oder Veronese.

Werner Hofmann kaufte dieses Doppelbild 1976 für die Sammlung und erklärte dazu: „Man muss kein psychologisierender Hinterfrager sein, um festzustellen, dass dieses Bild die beiden Seiten des SED-Staates enthält, wenngleich es nur eine vorzeigt, nämlich die Exklusivität einer Freizeitwelt, in der sich ein makabres Desaster anzukündigen scheint. Die Kehrseite, das Kollektiv der ‚neuen Gesellschaft’, ist von dieser manieristischen Schaustellung antipodisch entfernt. Als ich beim Ankauf entdeckte - was der Künstler verdrängt hatte -, dass in dem Gemälde die beiden (geschönten) Seiten einer Medaille steckten, reizte mich an ihm der gemalte Widerspruch, die Dialektik der Ausweglosigkeit.“

Christoph Heinrich

Details zu diesem Werk

Mischtechnik auf Leinwand auf Spanplatte 80cm x 170cm (Bild) 98cm x 189.5cm (Rahmen) Erworben 1976 Inv. Nr.: HK-5234 Sammlung: Galerie der Gegenwart © Hamburger Kunsthalle / bpk / VG Bild-Kunst, Bonn, 2021 Foto: Elke Walford

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