Lovis Corinth

Flora, 1920

Nachdem seine Karriere schon vor 1900 zu einem Höhepunkt gekommen und er mit Max Liebermann und Max Slevogt zum »Dreigestirn des deutschen Impressionismus« erklärt worden war, stellte Lovis Corinth Mitte der 1920er-Jahre eine feste Größe in der Kunstszene dar. Der Maler hatte eben seine 'Gesammelten Schriften' veröffentlicht und schrieb an der 'Selbstbiographie', als 1923 zu seinem 65. Geburtstag die Berliner Nationalgalerie eine Ausstellung mit 170 Gemälden zeigte. Trotz aller Erfolge blieb er aber bis zuletzt bemüht, seine Kunst fortzuentwickeln, und sah sich dabei im Wettstreit mit den aktuellsten Strömungen, die ganz frei mit Farben und Formen umgingen.

Corinth liebte nicht nur den Theaterbesuch, sondern auch in seinen Bildern die Verkleidung und den inszenierten Auftritt. Immer wieder stellte er sich selbst, seine Frau, die Malerin Charlotte Berend-Corinth, und die beiden Kinder in verschiedenen Rollen dar, häufig in Anlehnung an die Mythologie. Seine Tochter Wilhelmine wurde zum Motiv für zahlreiche Zeichnungen, Aquarelle und Radierungen sowie für 13 Ölgemälde. 1923 malte Corinth sie im Alter von 14 Jahren als Flora, die römische Göttin der Blüte, des Frühlings und der Jugend. Im Motiv orientierte er sich an Figurenbildern Alter Meister, unter anderem an dem Gemälde "Mädchen mit Fruchtschale" von Tizian, dem Maler der italienischen Hochrenaissance, sowie an Rembrandts Porträts seiner Frau Saskia als Flora – und damit an der Tradition des niederländischen Barock. Doch strebte Corinth zugleich eine moderne, dynamische Bildsprache an und löste mit seiner heftig bewegten, expressiven Pinselschrift aus Strichen und Tupfen die herkömmlichen Grenzen von Raum, Figur und Gegenstand auf. In "Flora" erleuchten gelbrote Akzente einen grau-braun-violetten Farbstrudel, aus dem das Lächeln des Mädchens hervorstrahlt.

Auch »Mine« Corinth zeigte früh künstlerische Ambitionen. Nach einem Studium der Malerei an der Berliner Akademie der Künste war sie als Theaterschauspielerin und Schriftstellerin erfolgreich, bis sie wegen ihrer jüdischen Herkunft 1933 vom Staatstheater Darmstadt entlassen wurde. 1948 emigrierte sie mit ihrer Mutter und dem älteren Bruder Thomas in die USA. Nach dem Tod der beiden setzte sie sich allein für die künstlerischen Nachlässe ihrer Eltern ein.

Karin Schick

Details zu diesem Werk

Öl auf Sperrholz 130cm x 109cm (Bild) Hamburger Kunsthalle, Dauerleihgabe der Stiftung Hamburger Kunstsammlungen, erworben 1974 Inv. Nr.: HK-5213 Sammlung: Klassische Moderne © SHK / Hamburger Kunsthalle / bpk Photo: Elke Walford

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