Walter Dexel
Figuration aus Senkrechten XII, 1923
Walter Dexel studierte Kunstgeschichte in München und nahm zugleich Unterricht im Zeichnen; das Malen eignete er sich weitestgehend selbst an. Seit 1916 leitete Dexel den Kunstverein in Jena. In dieser Funktion setzte er sich engagiert für die Präsentation der zeitgenössischen Kunst ein. Die bestehende Sammlung erweiterte er um Werke von Paul Klee, Alexander Archipenko, Franz Marc, Alberto Giacometti und anderen wichtigen Vertreter*innen der Moderne.
Von Jena aus pflegte Dexel enge Beziehungen zum Staatlichen Bauhaus im benachbarten Weimar; als Leiter des Kunstvereins lud er auch Klee und Wassily Kandinsky als Vortragende ein. Vor allem aber das konstruktivistische Werk des Niederländers Theo van Doesburg fand sein Interesse.
Die theoretische Auseinandersetzung mit den Prinzipien eines neuen Gestaltens äußerte sich schließlich auch in Dexels eigenem Werk. Zunehmend wandte er sich vom Gegenständlichen ab und begann, seine Bilder wie auch seine Werbegraphik auf der Grundlage eines geometrischen Formvokabulars zu erstellen.
Im Jahr 1923 entstand Figuration aus Senkrechten XII auf einem Bildträger aus Glas: Malerisch klar konturierte Rechtecke in unterschiedlichen Größen strukturieren die Fläche und bilden ein fein austariertes Gefüge. Die farbige Anlage der Formen besteht aus subtilen Abstufungen von Grau, Rosa, Rostrot und Schwarz. Durch die Technik der Hinterglasmalerei vollzog Dexel eine Abkehr von der sichtbaren Pinselschrift, die ein Kennzeichen vornehmlich der expressionistischen Malerei war, und brachte sie durch die Glätte der Glasfläche gänzlich zum Verschwinden. Er ließ eine eigenständige Flächenordnung entstehen, die allein gestalterischen Gesetzen verpflichtet war und in der allen Formen die gleiche innerbildliche Bedeutung beigemessen wurde.
Im Jahr 1928 ging Dexel als Dozent für Gebrauchsgraphik und Kulturgeschichte an die Kunstgewerbeschule in Magdeburg. Wie alle dort Mitarbeitenden wurde er 1933 Mitglied der NSDAP. 1935 wurde er als »entarteter Künstler« entlassen. Ein Jahr später erhielt er eine Professur an der Staatlichen Hochschule für Kunsterziehung in Berlin; 1942 wurde er mit dem Aufbau der »Formsammlung der Stadt Braunschweig« betraut. Er starb 1973.
Gabriele Himmelmann
Dexel arbeitete besonders in den 1920er Jahren regelmäßig und vermehrt in der Technik der Hinterglasmalerei. Die Anfänge hierfür können auf seine Münchener Ausbildungszeit in den Jahren 1913 bis 1914 zurückgeführt werden (vgl. Wöbkemeier 31).