Max Ernst

Ein schöner Morgen (Un beau matin), 1965

Auf den ersten Blick wirkt das Bild flächig-abstrakt, dennoch stellt sich – nicht nur wegen des Titels – rasch die Assoziation einer tiefenräumlichen Landschaft mit Sonnenaufgang ein. Handelt es sich im unteren Bereich um Erde oder Wasser? Bewusst ließ Max Ernst diese Deutung offen. Um sich seiner »Blindheit« zu entledigen und um an die Ressourcen des Unbewussten zu gelangen, experimentierte er immer wieder mit neuen Techniken der Bildfindung. In dieser sogenannten Grattage zeichnete sich ausgerechnet in der Himmelszone die mit Ölfarbe und Spachtel durchgepauste Struktur eines Parkettfußbodens ab, die nun als eine kristalline Vision erscheint. Diese subversive Technik surrealistischer Identitätsverschiebung ermöglicht die Umkehr herrschender Verhältnisse: Banales wird erhaben, Materielles immateriell, alles verbindet sich in kosmischer Einheit. Das Bild aber verliert die Starrheit einer bloßen Ausdeutung, stattdessen entsteht ein gedanklicher Raum umfassender Möglichkeiten. Sinnbildlich dafür steht der Titel: »Der Morgen«, so schrieb einst der Romantiker Philipp Otto Runge, »ist die grenzenlose Erleuchtung des Universums«. Tatsächlich war dessen gleichnamiges Gemälde in der Hamburger Kunsthalle Vorbild für Max Ernst. War für Runge die Natur Anschauungsraum des Transzendenten, so wurde für Ernst das Kunstwerk zum Erlebnis des Wunderbaren.

Dagmar Lott-Reschke

Details zu diesem Werk

Öl auf Leinwand 92cm x 73cm (Bild) cm x cm (Rahmen) Hamburger Kunsthalle, Dauerleihgabe der Stiftung Hamburger Kunstsammlungen, erworben 1967 Inv. Nr.: HK-5109 Sammlung: Klassische Moderne © SHK / Hamburger Kunsthalle / bpk © VG Bild-Kunst, Bonn Foto: Elke Walford

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